APA/HANS KLAUS TECHT

Blau-Türkiser Rotstift

Sparpläne könnten "Obdachlosigkeit produzieren"

Die Obfrau der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) Elisabeth Hammer warnt vor einer möglichen blau-schwarzen Bundesregierung. Das Sparen bei Schutzbedürftigen würde "Obdachlosigkeit produzieren". Denn die Obdachlosigkeit steige, mittlerweile sei Hammer gar "alarmiert".

"Ein rechter Kanzler Kickl macht mir als Bürgerin und auch in meiner Funktion grundsätzlich Sorgen", sagte die neunerhaus-Geschäftsführerin Hammer im APA-Interview. Um das stark angeschlagene Budget wieder zu sanieren, dürfe nicht bei den Schutzbedürftigsten gespart werden.

Auch Kürzungen beim Fonds Soziales Wien, aus dem ein großer Teil der Wohnungslosenhilfe finanziert werde, stünden im Raum, so Hammer. "Ein strukturelles Sparen bei den Angeboten der Wohnungslosenhilfe ist eine große Gefährdung. Es würde Obdachlosigkeit produzieren, diese Prognose traue ich mir aufgrund der Wirtschaftsentwicklung im Bund, der hohen Wohnkosten, die mit den Einkommen nicht Schritt halten, und aufgrund der Armutsstatistik zu", warnt sie.

Eigentlich müsse man jetzt investieren, damit die Zahlen der Wohnungs- und Obdachlosen in Zukunft nicht steige, "wenn das nicht geht, brauchen wir eine extrem beherzte Arbeit, wie wir die Angebote effektiver und effizienter machen".

Dass ÖVP und FPÖ Obdachlosigkeit in ausreichendem Maß entgegenwirken würden, glaubt Hammer nicht. Wohnpolitisch sei eines der Schlagworte der Volkspartei die Förderung von Eigentum. "Für Menschen mit geringem Einkommen, gerade in Ballungsräumen, ist das einfach keine erreichbare Option", sagt Hammer.

Es brauche einen Ausbau des kommunalen und gemeinnützigen Wohnbaus sowie eine Zweckbindung der Wohnbauförderung, um mehr leistbare Mietwohnungen zu schaffen. "Ich glaube aber nicht, dass das (bei ÖVP und FPÖ, Anm.) im Zentrum steht".

"Ohne Deutsch keine Wohnung"

Die FPÖ fordert in ihrem Wahlprogramm unter anderem "Starterwohnungen" für junge Familien. "Wer viele Kinder hat, zahlt entsprechend weniger", so das Credo der Freiheitlichen. Grundsätzlich sei alles, was den Zugang zum Wohnungsmarkt erleichtere, unterstützenswert, so Hammer. Allerdings müssten solche Unterstützungen für "unterschiedliche Familienformen" gelten und dürften nicht von der Zahl der Kinder abhängig sein.

Nicht begeistert ist sie auch von der FPÖ-Linie "Ohne Deutsch keine Wohnung". "Wohnen ist die Grundlage für alles, auch für Arbeit. Nicht für jeden Job braucht es perfekte Deutschkenntnisse, schon gar keine Dialektkenntnisse, aber für jeden Job braucht es ein gesichertes, leistbares Wohnen, und dafür setzen wir uns ein." Gemeinnütziger Wohnraum müsse auch für Personen mit nicht-deutscher Muttersprache und "ohne lange Arbeits- und Wohnbiografie in Österreich" zugänglich bleiben.

Sie befürchte eine verstärkte Abneigung gegenüber Menschen, die besonders schutzbedürftig sind. In den Bundesländern, in denen die FPÖ und die ÖVP schon jetzt miteinander regieren, merke man, "wie über Menschen gesprochen wird, die jetzt schon ausgegrenzt und marginalisiert sind".

Als im vergangenen Jahr mehrere Obdachlose Zielscheibe von Übergriffen wurde, habe sie "der große öffentliche Aufschrei" berührt. "Dass die Zivilgesellschaft da auch rote Linien zieht, das hat mich bestärkt". Seitdem habe sich der Diskurs aber wieder verschoben, es werde viel weniger über Armut gesprochen, Obdachlose würden wieder eher kriminalisiert.

Hammer "alarmiert"

Bewährt habe sich der "Wohnschirm", ein bundesweites Projekt zur Unterstützung, wenn die Miete nicht länger bezahlt werden kann. "Ich gehe davon aus, dass dieser erhalten bleibt. Eigentlich sollte er ausgebaut werden", so Hammer. Ausgebaut werden sollte auch "housing first", ein Programm, bei dem Betroffene statt in Notquartieren unterzukommen möglichst rasch wieder in einer eigenen Wohnung leben sollen.

Derzeit sind bundesweit etwa 21.000 Menschen als obdachlos gemeldet, die Dunkelziffer dürfte wohl deutlich höher sein. "Ich bin seit einigen Jahren besorgt, aber mittlerweile bin ich alarmiert", warnt Hammer. Die Wartezeiten seien derzeit in allen Segmenten - stationären Wohnformen wie mobilen und niederschwelligen Angeboten - besonders lang.

"Wenn es uns nicht gelingt, diesen 'Rückstau' abzubauen, und den kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau zugänglich zu machen für Zielgruppen, die wir schon jetzt haben, dann haben wir in der Zukunft ein Problem." Die Spitze des Eisbergs seien da Jugendliche und junge Erwachsene, die besonders gefährdet seien, wie erst kürzlich der Fall eines 16-Jährigen in Vorarlberg zeigte, der von der Behörde in der Obdachlosigkeit belassen wurde.

Video: Kriminalpsychologe zu Obdachlosen-Morde

Zusammenfassung
  • Die Obfrau der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) Elisabeth Hammer warnt vor einer möglichen blau-schwarzen Bundesregierung.
  • Das Sparen bei Schutzbedürftigen würde "Obdachlosigkeit produzieren".
  • Eigentlich müsse man jetzt investieren, damit die Zahlen der Wohnungs- und Obdachlosen in Zukunft nicht steige, "wenn das nicht geht, brauchen wir eine extrem beherzte Arbeit, wie wir die Angebote effektiver und effizienter machen".
  • Es brauche einen Ausbau des kommunalen und gemeinnützigen Wohnbaus sowie eine Zweckbindung der Wohnbauförderung, um mehr leistbare Mietwohnungen zu schaffen.
  • Derzeit sind bundesweit etwa 21.000 Menschen als obdachlos gemeldet, die Dunkelziffer dürfte wohl deutlich höher sein.
  • "Ich bin seit einigen Jahren besorgt, aber mittlerweile bin ich alarmiert", warnt Hammer.