APA/ROLAND SCHLAGER

Über Nehammers Aussagen "kann man nur schockiert sein"

Kanzler Karl Nehammer wollte "im Hintergrund" für niedrigere Lohnabschlüsse sorgen, will die "Blockade" der Sozialpartner abstellen und empfiehlt armutsgefährdeten Kindern einen Burger bei McDonalds. Dafür hagelt es nun Kritik gegen den Kanzler.

In einem über sechs Minuten langen Video teilt Nehammer gegen die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft aus und moniert, dass man "Blockaden" der Sozialpartner lösen müsse. 

Der Kanzler wollte im vergangenen Jahr "im Hintergrund" dafür sorgen, "dass die Lohnabschlüsse weniger hoch ausfallen", so Nehammer. Die Gewerkschaft sei bei seinem Angebot aber stur geblieben. 

"Wirklich unverständliche Aussagen"

"Über die Aussagen des Kanzlers dieser Republik kann man nur schockiert sein", sagte Korinna Schumann, die ÖGB-Vizepräsidentin, zu dem Video des ÖVP-Kanzlers.

Die Sozialpartnerschaft habe in Krisenzeiten dafür gesorgt, den Menschen zu helfen. Ohne die Corona-Kurzarbeit "wären wir nicht so durch die Krise gekommen", meinte die Gewerkschafterin. Demnach seien die Aussagen "wirklich unverständlich", sagte sie im PULS 24 Interview.

Korinna Schumann, Vizepräsidentin ÖGB und Bundesfrauenvorsitzende im PULS 24 Interview

Kogler habe das Video nicht gesehen

Den Kampf gegen die Sozialpartnerschaft müsse man aber erst einmal politisch umsetzen. Nehammer zählt auf: "Das ist in der Verfassung verankert, das kannst nicht einmal mit einer einfachen Mehrheit beschließen, geschweige denn mit einer linksalternativen Partei als Koalitionspartner". Dabei handelt es sich bekanntlich um die Grünen.

"Ich habe das nicht gesehen, habe aber einiges darüber gehört", äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) am Rande einer Pressekonferenz zu dem Video. Es sei wohl um vieles gegangen, so Kogler.

Er wolle aber festhalten, dass in einigen der angesprochenen Bereiche wie der Kinderarmut "gemeinsam mit dem Regierungspartner sehr, sehr viel weitergegangen ist. Daran arbeiten wir". 

Kogler habe aber auch gehört, dass einige Dinge laut Nehammer mit den Grünen nicht umsetzbar seien. Damit ist gemeint, gegen die Sozialpartnerschaft vorzugehen. "Wenn das jene Dinge sind, über die sich andere empören, dann ist hiermit auch die beste Antwort gegeben". 

"Was macht er dann beruflich?"

Scharfe Kritik kam auch von Barbara Blaha, der Direktorin des Momentum Instituts im PULS 24 Interview. Sie sieht, dass Nehammer mit der Attacke der Sozialpartnerschaft die Verantwortung abgebe. "Was macht er dann beruflich, der Bundeskanzler, wenn er eh nichts machen kann", fragt sie rhetorisch. 

Der Angriff auf die Sozialpartner ist für Blaha "kein Zufall", da im Herbst äußerst schwierige Lohnverhandlungen anstehen. Diese Querschüsse findet sie demnach "äußert problematisch". 

Nehammer spricht an der Realität vorbei

Angesichts der Debatte um Kinder, die keine warme Mahlzeit bekommen würden, verweist er an den "Hamburger beim McDonald’s". Nehammers Rat: "Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten. Weil dann muss ich ja mehr Geld haben".

Bei diesen Aussagen sei für Blaha das Problem, "dass der Kanzler hier ein bisschen an der Realität vorbeispricht". Über 350.000 Kinder würden in Familien groß werden, die sich "vieles nicht leisten können". Das gehe vom Urlaub, über das Heizen eben auch hin zu warmen Mahlzeiten.

Die Annahme, "Armut sei irgendwie selbstverschuldet", kritisiert Blaha deutlich. Damit würde man nicht an politischen Lösungen arbeiten, sondern würde "armen Familien gute Tipps geben, wie: Sie sollen zum Mci (McDonalds, Anm. d. Red.) gehen". 

Barbara Blaha, Direktorin des Momentum Instituts, im PULS 24 Interview

SPÖ-Wirtschaftsverband fordert Entschuldigung

Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) zeigte sich in einer Aussendung empört über Nehammers Aussagen und bezeichnete sie als "letztklassig". "Das ist ein verzweifelter Versuch die Verantwortung abzuschieben", wird SWV-Präsident Christoph Matznetter zitiert.

"Dieses Verhalten macht einen Bundeskanzler rücktrittsreif. Ich fordere eine umgehende Entschuldigung von Nehammer gegenüber den Sozialpartnern", so Matznetter weiter.

Babler warnt vor Schwarz-Blau

Empörung machte sich davor schon auf Twitter (X) breit. "Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Bundeskanzler verdient, der die Menschen respektiert, statt sie zu verachten", schrieb SPÖ-Obmann Andreas Babler.

In einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz am Donnerstag warnte Babler, dass das Video zeigen würde, was mit einer schwarz-blauen Koalition auf das Land zukommen würde. 

Nehammer würde auf die Leute "hinhauen", die sich trotz Arbeit wenig leisten könnten. "Es sind nicht die Menschen das Problem, sondern die Bedingungen, unter denen sie leben und arbeiten müssen", so Babler weiter.

"Empathielos, abgehoben, eiskalt"

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte Nehammer scharf und bezeichnete ihn als "empathielos, abgehoben, eiskalt". 

Wer eine "derartige Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag legt, ist für den Job als Bundeskanzler ungeeignet", so Kickl weiter.

"Bürgerliche Verrohung"

Deutlichere Kritik vom grünen Koalitionspartner kam vorerst von der Frauensprecherin Meri Disoski sowie Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic. Für letztere ist die "offene Abwertung einer sozial-gerechten Politik wenig überraschend Teil der bürgerlichen Verrohung, auch wenn trotzdem erschreckend in dieser Offenheit."

Kritik vom Caritas-Präsident

Klare Worte kamen am Mittwochabend auch von Caritas-Präsident Michael Landau. "Wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung", schrieb er auf Twitter.

Auch Zustimmung für Nehammer

Von Parteikollegen erhält Nehammer für seine Aussagen auch Zuspruch. So auch etwa von Manfred Juraczka, dem dritten Wiener Landtagspräsidenten. Auch er sei überzeugt, "dass jedes Kind in Österreich eine warme Mahlzeit bekommen kann, wenn die Eltern ihre Verantwortung wahrnehmen, zumal wir die Familien wie nie zuvor unterstützen", schrieb er auf Twitter.

Der Vösendorfer ÖVP-Bürgermeister, Hannes Koza, schrieb, dass Nehammer "genau das" sage, was sich "jeder" denkt.

ribbon Zusammenfassung
  • Kanzler Karl Nehammer wollte "im Hintergrund" für niedrigere Lohnabschlüsse sorgen, will die "Blockade" der Sozialpartner abstellen und empfiehlt armutsgefährdeten Kindern einen Burger bei McDonalds.
  • Dafür hagelt es nun Kritik.
  • "Über die Aussagen des Kanzlers dieser Republik kann man nur schockiert sein", sagte Korinna Schumann, die ÖGB-Vizepräsidentin.
  • Scharfe Kritik kam auch von Barbara Blaha: "Was macht er dann beruflich, der Bundeskanzler, wenn er eh nichts machen kann?"
  • "Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Bundeskanzler verdient, der die Menschen respektiert, statt sie zu verachten", schrieb SPÖ-Obmann Andreas Babler.
  • Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte Nehammer scharf und bezeichnete ihn als "empathielos, abgehoben, eiskalt".