Nehammer kontert Van der Bellen mit "Meinungsfreiheit"
"Das ist doch alles nicht mehr normal. Bist du noch normal?", begrüßt Nehammer seine Zuseher in dem Video. Und stellt sogleich die Frage, was denn nun "normal" überhaupt sei. "Ich sage euch, wer nicht normal ist: Das sind die Extremen und die Radikalen. Sei es Linksextreme, sei es Rechtsextreme." Extrem sei, wenn man seine Meinung über die der anderen stelle, sich über die Regeln und Gesetz hinwegsetze. "Es sind Klimakleber oder Linksradikale, genauso wie Rechtsradikale oder Identitäre. Es sind islamistische Hassprediger genauso wie Vandalen und sonstige Extremisten", befand der Kanzler.
Kritik handelte sich Nehammer damit vom Koalitionspartner ein: "Es ist eine inakzeptable Verharmlosung des Rechtsradikalismus, wenn Rechtsradikale und Klimaaktivst:innen gleichgesetzt werden", schrieb Klimaschutz-Sprecher Lukas Hammer auf Twitter. "Besonders in einem Land, das aufgrund seiner Geschichte besonders sensibel mit diesem Thema umgehen muss und eine hochgerüstete rechte Szene aufweist", merkte er an.
"Das Extreme ist der Feind des Normalen und vor allem eine Gefahr für die Gesellschaft", betonte Nehammer jedenfalls in dem auf Social Media verbreiteten Video weiter. "Und was ich auch nicht normal finde ist, dass man dafür kritisiert wird, dass man sich für die Normalen, für die Vielen, für die Mehrheit einsetzt", richtete der Kanzler offensichtlich auch dem Bundespräsidenten aus. "Meinungsfreiheit in Österreich ist es ein hohes Gut", unterstrich Nehammer, "und wir werden uns nicht von einigen Wenigen die Worte einfach verbieten lassen". Als Bundeskanzler wolle er die Menschen "zusammenführen und nicht auseinandertreiben".
Man setze sich für jene ein, "die sich an die Regeln halten", die zur Arbeit gehen, sich engagieren. "Ich will Politik für die Vielen machen, ohne die Wenigen dabei zu vergessen. Minderheitenschutz ist ganz wichtig", so Nehammer. "Es ist in Ordnung, wenn wir Ausnahmen machen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn Ausnahmen die Regel werden."
Wie schon in seiner ersten Stellungnahme nach Van der Bellens Schelte meint Nehammer in dem Video einmal mehr, es sei "in Ordnung, wenn sich jemand dazu entscheidet, mit dem Rad in die Arbeit zu fahren", aber "es soll aufhören, dass man den Autofahrern ein schlechtes Gewissen macht, vor allem, weil viele auf das Auto angewiesen sind". Seinen umstrittenen und teils belächelten Schnitzel-Sager ("Und genauso ist es okay, wenn jemand sich dazu entschließt, vegan zu leben. Aber es muss auch okay sein, wenn andere gerne Schnitzel essen.") wiederholte der Kanzler in dem Video hingegen nicht.
Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) wehrte sich im Interview mit der Tageszeitung "Österreich" (Freitagausgabe) dagegen, "dass man Worte zu Unworten erklärt". Die Schelte des Bundespräsidenten wies er explizit zurück. "Es verwundert mich, dass man sich so darüber echauffieren kann, wenn man sich dafür einsetzt, was der Mehrheit wichtig ist. Es ist die Rolle des Präsidenten, Themen aufzuzeigen. Es muss sich aber jeder fragen, ob er das Recht hat, sich moralisch über andere aufzuschwingen."
"Peinlich" findet Nehammers Video jedenfalls FPÖ-Chef Herbert Kickl. Es handle sich um den nächsten Versuch, "die Bevölkerung für dumm zu verkaufen".
Die SPÖ schaltete sich via Twitter zu. "Der dritte ÖVP-Kanzler in 2 Jahren will uns erklären was normal ist", hieß es auf deren Parteiaccount am Nachmittag. Was für die ÖVP normal sei: "Unter falschem Namen Festplatten aus dem Bundeskanzleramt schreddern", "Hausdurchsuchungen aufgrund von Korruptionsverdacht zu haben" und "Steuergeschenke an Milliardäre zu verteilen".
Zusammenfassung
- Die ÖVP hält die Debatte über ihre Positionierung mit dem Begriff "normal" am Köcheln.
- Nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Parteien wegen ausgrenzender Sprache gerügt hatte, konterte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag in einem Video: "Wir werden uns nicht von einigen Wenigen die Worte einfach verbieten lassen."
- "Es ist in Ordnung, wenn wir Ausnahmen machen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn Ausnahmen die Regel werden."