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Nehammer: EU soll nicht erst an Grenze zu denken beginnen

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat bei einer Videokonferenz mit seinen EU-Amtskollegen den Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Asyl- und Migrationsstrategie grundsätzlich als positiv begrüßt. Wichtig sei aber, dass man nicht erst an der EU-Grenze zu denken beginne, erklärte er in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Wir müssen auch bei den Drittstaaten in unserer Nachbarschaft ansetzen und sie im Kampf gegen illegale Migration unterstützen", so der Minister.

Darüber hinaus müsse man dem Rechtsstaat zum Durchbruch verhelfen, vor allem durch funktionierende Rückführungen, unterstrich er. Dazu brauche es "die geballte Kraft der Europäischen Union und der Kommission, die für effiziente Abkommen mit Drittstaaten sorgen muss." Allgemein hieß es zu dem Paket, dass es einen "umfassenden Ansatz" habe und "einige österreichische Positionen, vor allem im Bereich von raschen Rückführungen, starken Kooperationen mit Drittstaaten oder beim konsequenten Schutz der EU-Außengrenzen," beinhalte.

Für den Innenminister ist die Diskussion über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union bereits "vor Jahren gescheitert". "Es darf auch keine Verteilung über die Hintertür geben beispielsweise durch Return Sponsorships", so der Innenminister. Österreich sei bereits "seit Jahren überproportional belastet und liegt bei den Schutzgewährungen an dritter Stelle der EU-27".

Wenn über Verteilung gesprochen werde, müsste man nach Ansicht Nehammers daher auch über Verteilung aus Österreich weg sprechen. "Wir setzen uns daher anstelle der Return Sponsorships auch für andere Möglichkeiten der Solidarität ein, wie beispielsweise verstärkte Hilfe vor Ort, um in den Herkunftsländern Lebensperspektiven zu schaffen und so den Migrationsdruck auf Europa zu lindern", erklärte er.

Die EU-Länder sind in Migrationsfragen zerstritten, dennoch will der deutsche EU-Ratsvorsitz bis Ende des Jahres eine politische Einigung erzielen. Im Interview mit der deutschen Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagsausgabe) zeigte sich Nehammer optimistisch, dass es "letztlich eine Einigung" auf einen neuen EU-Asyl- und Migrationspakt geben werde. Sofern es die Coronpandemie zulässt, soll nach den Vorstellungen des deutschen Innenministers Horst Seehofers im November ein physisches Treffen der Innenminister in Brüssel stattfinden.

Seehofer verteidigte die Vorschläge der EU-Kommission am Donnerstag gegen Kritik aus der eigenen Bundestagsfraktion. Es sei selbstverständlich, dass eine nationale Regierung sich nicht komplett in den Vorschlägen aus Brüssel wiederfinde, so der CSU-Politiker am Rande der virtuellen Beratungen. "Aber meine Fraktion wie die ganze Bundesregierung können sich darauf verlassen, dass wir schon darauf achten, dass es hier keine Sonderlasten für die Bundesrepublik Deutschland gibt", sicherte er zu. Auch auf die sogenannte Sekundärmigration - also das Weiterziehen Schutzsuchender von einem EU-Land ins nächste - und "unkontrollierte Familienzusammenführung" werde geachtet.

Bei der Videokonferenz handelte es sich um die erste Aussprache der Innenminister zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission. Demnach sollen Länder wie Griechenland und Italien insbesondere mit stärkerem Grenzschutz sowie mit Hilfe bei der Rückführung abgelehnter Schutzsuchender entlastet werden. Zugleich will die EU-Kommission, dass alle Staaten einen Beitrag leisten. Länder, die sich der Aufnahme von Migranten verweigern, sollen etwa für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zuständig sein.

Eine verpflichtende Verteilung von Migranten, die für manche Staaten ein rotes Tuch ist, soll es nur in absoluten Ausnahmen geben. Vor allem Ungarn und Tschechien hatten das Migrationspaket deutlich abgelehnt. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zeigte sich optimistisch, dass eine Einigung möglich sei.

ribbon Zusammenfassung
  • Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat bei einer Videokonferenz mit seinen EU-Amtskollegen den Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Asyl- und Migrationsstrategie grundsätzlich als positiv begrüßt.
  • Wichtig sei aber, dass man nicht erst an der EU-Grenze zu denken beginne, erklärte er in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
  • Seehofer verteidigte die Vorschläge der EU-Kommission am Donnerstag gegen Kritik aus der eigenen Bundestagsfraktion.