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Lukas Resetarits will nicht "nur auf die Trotteln hinhauen"

Heute, 04:01 · Lesedauer 7 min

Lukas Resetarits ist so etwas wie der Säulenheilige des österreichischen Kabaretts. Auch ein gewisser Josef Hader bezeichnet ihn als "großen Wegweiser". Seit fünf Jahrzehnten steht der 77-Jährige, der als Major Kottan auch zum TV-Star wurde, auf der Bühne. Am 20. März feiert sein inzwischen 30. Solo "Glück" Premiere im Wiener Stadtsaal. Mit der APA sprach Resetarits über Unglücksversprechen, Superreiche, seine Wirkmächtigkeit beim Wirt'n und was ihn immer noch erschüttert.

APA: Herr Resetarits, was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema Glück auseinanderzusetzen?

Lukas Resetarits: Begriffe wie "Glück" werden heutzutage in der Werbung und PR inflationär genutzt und damit auch geschändet. Früher standen z.B. hinter großen Sozialreformen immer Glücksversprechungen. Die ganze sozialdemokratische Geschichte war ein Glücksversprechungen. Der Sozialstaat versprach für viele Bevölkerungsschichten ein besseres Leben. Jetzt habe ich den Eindruck, dass eher mit Unglücksversprechungen gearbeitet wird - nämlich für die anderen. Die anderen, die hierherkommen, sind schlecht, die, die nicht so wie wir sind, sind schlecht. Überhaupt sind alle schlecht, die nicht wir sind. Es ist eher der Wunsch nach Unglück für andere präsent als der Wunsch nach Glück.

APA: Damit sind wir auch schon mitten im Politischen. Sie stehen da klar links. Nun hat die Linke in Österreich, Europa oder den USA nicht gerade Konjunktur. Was machen die Rechten besser?

Resetarits: Sie machen alles schlechter als die Linken - und die Wählerstimmen kriegen sie trotzdem. Das ist eine der Erkenntnisse, die mich bis zu meinem Tod noch erschüttern wird. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe auch nicht, dass Leute nicht sehen wollen, dass es Bewegungen gegeben hat, die das Leben erleichtert und verbessert haben - ich sage wieder Sozialstaat. Warum man auf die dann böse ist, verstehe ich nicht. Das erschüttert mich nach einem langen Leben immer noch und macht mich ratlos. Was wollen die Leute? Ich komme zurück auf meinen Eingangssatz: Sie wollen, dass es den anderen schlechter geht. Das Versprechen der Rechtsparteien ist ja nicht "Es wird Euch besser gehen", sondern "Es wird Euch besser gehen, wenn wir jetzt alle raushauen, umbringen oder ihnen das Geld wegnehmen". Es wird nur über das Negative gearbeitet. Wenn ein Herr Musk mit einer Kettensäge "Cut down bureaucracy" herumschreit ... dieser Hass auf die Bürokratie ... Es wählen Leute eine Partei oder Menschen, die die Bürokratie abschaffen wollen. Ja wie kommt denn der Trottel dann zu seinem Arbeitslosengeld, verflucht noch einmal? In Argentinien gibt es riesige Stromausfälle und dort wurde (Präsident Javier, Anm.) Milei gewählt, der den Staat abschaffen will. Da müsste man ja schreien. Dann kann man ja gar kein Programm mehr machen.

"Nur auf die Trotteln hinhauen, ist auch billig"

APA: Das führt mich zur Frage, ob die Wirklichkeit die Satire inzwischen eingeholt hat.

Resetarits: Ich bin der Ansicht, es ist jetzt soweit. Ich kann aus diesen Sachen auch nicht mehr viel Witziges machen. Es geht nicht mehr. Und nur auf die Trotteln hinhauen, ist halt auch billig.

APA: Warum gehen Sie dann trotzdem noch auf die Bühne?

Resetarits: Weil ich das irgendwo loswerden muss und weil das mein Beruf ist. Ich freue mich auf die Vorstellungen, wo zumindest von meinem Publikum ein zustimmender Response kommt zu den Dingen, über die ich mich aufrege.

"Ich will mich nicht austauschen mit dem Publikum"

APA: Geht es auch um Überzeugungsarbeit?

Resetarits: Mit der Satire Leute zu überzeugen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich werde immer wieder gefragt "Kommen zu Ihnen nicht Leute, die eh Ihrer Meinung sind?" Ja, aber das ist gut. Die brauchen auch Zustimmung von einem, der auf der Bühne steht und mehr Gehör findet als sie selber. Ich will ja nicht streiten mit dem Publikum. Ich will mich auch nicht austauschen mit dem Publikum. Ich stelle keine Fragen ans Publikum und will keine Antworten vom Publikum. Ich will mein Programm vorspielen und das erzählen, was ich zu erzählen habe.

APA: Wie geht es Ihnen mit der Dreier-Koalition?

Resetarits: Ich finde Lösungen, die Kompromisse und Nachdenken erfordern, gut. Es ist notwendig, dass die Politik aus verschiedenen Richtungen zusammenarbeitet zum Besten des Landes. Es gab in den letzten Jahren immer wieder Tendenzen, besonders in der ÖVP, dass die Partei im Vordergrund steht und nicht das Land.

APA: Nicht nur in der Politik, auch in der Gesellschaft beobachtet man eine immer stärkere Polarisierung. Es gibt immer weniger Austausch zwischen den einzelnen Bubbles. Gehen Sie noch zum Wirt'n, um zu diskutieren?

Resetarits: Das tue ich nicht mehr. Ich trinke ja kaum mehr und rauche auch nicht (lacht). Ich mache das im Familien- und Freundeskreis. Aber ich muss sagen: Früher, als ich noch in Bisamberg und dort beim Wirt'n war, konnte ich oft viel mehr bewirken als auf einer Bühne. Weil da am Tisch vom Chefchirurgen bis zum Straßenarbeiter verschiedenste Leute gesessen sind. Da fand tatsächlich ein Austausch statt. Dass der Steuerberater mitunter was anderes gesagt hat als der Künettengraber, war schon klar. Aber sie haben miteinander geredet. Diese Orte gibt es immer weniger, weil im Netz funktioniert das leider nicht. Ich selbst habe mich aus X oder Twitter, wie es früher geheißen hat, zurückgezogen, weil es mir zu blöd geworden ist.

"Ich sehe relativ wenig Positives"

APA: Sie sind sehr geprägt vom Aufbruchsgeist der 70er-Jahre. Was gibt heute Anlass zu Zuversicht und Optimismus?

Resetarits: Ich gestehe, ich weiß es nicht. Ich sehe relativ wenig Positives. Wenn die Superreichen ... man traut sich das ja gar nimmer sagen, weil es schon so oft gesagt wurde ... Jaaa, aber es muss doch möglich sein, dass man sich bei den Superreichen ein klitzekleines Prozentchen holt, um den Staatshaushalt zu sanieren, damit nicht immer nur die große Masse der Eh-nicht-viel-Habenden das Geldtascherl oder den Kopf hinhalten muss. Da würde ich mir vernünftige Lösungen wünschen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Superreichen so geschützt werden müssen. Cui bono?!

APA: Wenn man Ihnen so zuhört - mit Altersmilde können Sie wenig anfangen oder?

Resetarits: Es besteht überhaupt kein Anlass zur Altersmilde.

APA: "Glück" ist ihr 30. Solo. Fällt Ihnen das Programmschreiben immer leichter oder immer schwerer?

Resetarits: Es fällt mir immer gleich schwer - und in Zeiten wie diesen noch schwerer. Es wird nicht leichter für den Satiriker.

APA: Was ist denn Glück für Sie persönlich?

Resetarits: Für mich ist Glück Frieden, Familie, keine Aggression. Aber endgültiges Glück gibt es nicht. Es kann immer nur ein Glücksgefühl sein. Aber alleweil, wenn man das manchmal zusammenbringt.

APA: Sie haben in Ihrem zweiten Erinnerungsbuch "Kabarett und Kottan" geschrieben, solange es gesundheitlich möglich ist, wollen Sie weiter auf der Bühne stehen. Dürfen wir auf weitere Programme hoffen?

Ich hoffe. Ich habe bisher zwei Krebse überwunden und versuche mich auch so, noch auf den Beinen zu halten. Aber ich werde mir vielleicht nicht mehr allzu oft die Erstellung eines neuen Programms antun, weil es eine große Herausforderung ist.

APA: Aber Ruhestand ist kein Thema...

Resetarits: Nur zwischen den einzelnen Vorstellungen.

(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)

(S E R V I C E - Lukas Resetarits: "Glück", Premiere: 20. März im Stadtsaal Wien; Weitere Stadtsaal-Termine: 27., 28. März, 3., 4., 5., 13. und 20. April; https://stadtsaal.com/kuenstler/lukas-resetarits)

Zusammenfassung
  • Lukas Resetarits, 77, feiert am 20. März im Wiener Stadtsaal die Premiere seines 30. Soloprogramms 'Glück'.
  • Er kritisiert die inflationäre Nutzung des Begriffs 'Glück' in der Werbung und sieht eine gesellschaftliche Verschiebung zu 'Unglücksversprechungen'.
  • Resetarits zeigt Unverständnis über den Erfolg rechter Parteien, die seiner Meinung nach negative Botschaften verbreiten.
  • Er betont, dass er seine Ansichten auf der Bühne darlegen will, ohne mit dem Publikum zu diskutieren.
  • Trotz gesundheitlicher Herausforderungen plant Resetarits, so lange wie möglich auf der Bühne zu stehen.