Spekulationen und Trauer nach Terroranschlag in Russland
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hatte den Anschlag bereits in der Nacht auf Samstag für sich reklamiert, doch der russische Präsident Wladimir Putin deutete eine ukrainische Spur hinter dem Angriff an - ohne jedoch Beweise dafür anzuführen. Demnach sollen die Täter in Richtung Ukraine geflüchtet sein.
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Warnungen aus dem Westen
Kiew wies jede Beteiligung an der Tat mit 137 Toten vom Freitagabend zurück. Die Geheimdienste der USA und anderer westlicher Länder hatten bereits Anfang März vor einem drohenden Anschlag gewarnt. Putin tat die Warnungen jedoch als westliche Provokation ab.
Die zerstörte Halle am Tag nach dem Anschlag.
Sorge um Verletzte
Unterdessen beging Russland am Sonntag einen nationalen Trauertag. Im Ausland schlossen sich Serbien und Nicaragua mit eigenen Trauertagen dem Gedenken an. Viele der bei dem Anschlag 180 Verletzten seien weiter in kritischer Verfassung, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur TASS Sonntag früh unter Berufung auf das Katastrophenschutzministerium für die Region Moskau. Unter den Verletzten sind demnach auch fünf Kinder.
In dem Veranstaltungszentrum Crocus City Hall bei Moskau mit Tausenden Plätzen hatten am Freitag Täter wahllos auf Besucher geschossen. Zudem gab es Explosionen in dem Gebäude und einen Großbrand.
Berichte über Folter der Hauptverdächtigen
Die vier Hauptverdächtigen des Terroranschlags waren am Samstagabend zum Verhör in die russische Hauptstadt gebracht worden. Wie die Staatsagentur TASS weiter berichtete, waren die vier Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne aus der Region Brjansk im Süden des Landes, wo sie festgenommen worden waren, zum sogenannten Ermittlungsausschuss gefahren worden. In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden.
Videoaufnahmen sollen zeigen, dass es bei der Festnahme der Verdächtigen auch zu Folter gekommen soll. So zeigt ein in Russland verbreitetes Video etwa, wie einem Mann ein Ohr abgeschnitten wurde. Unabhängig waren die Aufnahmen zunächst nicht zu überprüfen.
50 Opfer identifiziert
Forensiker setzten unterdessen die Identifizierung der Opfer fort. Bis Samstagabend seien bereits 50 Opfer identifiziert worden, teilte Gouverneur Andrej Worobjow mit.
Viele Menschen in der Konzerthalle seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, hieß es. Knapp 4.000 Menschen spendeten bis zum Abend Blut, um die ärztliche Behandlung der Verletzten zu erleichtern.
In der Nacht räumten schwere Maschinen Schutt von dem Gelände der Crocus City Hall. Es war befürchtet worden, dass weitere Opfer noch unter den Trümmern der schwer beschädigten Konzerthalle in Krasnogorsk nordwestlich von Moskau gefunden werden könnten. Dies war jedoch zunächst nicht der Fall. Die Aufräum- und Bergungsarbeiten sollten nach Behördenangaben mindestens bis Sonntagabend andauern.
Ukraine dementiert Beteiligung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies unterdessen die Versuche Putins, mit unbelegten Schuldzuweisungen der Ukraine eine Mitverantwortung für den Anschlag zuzuschieben, in der Nacht kategorisch zurück.
"Nach dem, was gestern in Moskau passiert ist, versuchen Putin und die anderen Bastarde natürlich nur, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Nach den Ereignissen in der Konzerthalle habe "dieser absolute Niemand Putin" einen Tag lang geschwiegen, anstatt sich um seine russischen Bürger zu kümmern. Vielmehr habe Putin darüber nachgedacht, "wie er das in die Ukraine bringen kann".
Galerie: Der Großbrand der Krokus Konzerthalle
Putin betont weiter ukrainische Beteiligung
Putin hatte in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede am Samstagnachmittag von einer angeblichen Verwicklung der Ukraine in den Terroranschlag gesprochen.
Mit Blick auf die festgenommenen Männer sagte er: "Sie haben versucht, sich zu verstecken und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war." Der ukrainische Militärgeheimdienst konterte Putin und wies darauf hin, dass die Grenze seit Langem vermint sei.
IS bekannte sich
Der IS-Propagandakanal Amak veröffentlichte am Samstag ein Bild mit vier Personen, deren Gesichter unkenntlich gemacht worden waren.
Die Kämpfer hätten bewaffnet mit Sturmgewehren, Pistolen und Bomben Russland einen "schweren Schlag" versetzt, hieß es in der Mitteilung. Der Angriff habe "Tausenden Christen in einer Musikhalle" gegolten. Der IS bekämpft Anhänger des Christentums und betrachtet sie als Ungläubige.
Video: Osteuropa-Experte Alexander Dubowy analysiert die Geschehnisse
Dubowy: Russland hat Terror-Warnungen nicht ernstgenommen
Zusammenfassung
- Russland hat nach dem schwersten Anschlag seit 20 Jahren mit einem nationalen Tag der Trauer der Opfer gedacht.
- Präsident Putin sieht eine "ukrainische Spur" hinter dem Anschlag, Kiew weist eine Beteiligung zurück.
- Die Zahl der Todesopfer stieg auf 137, wie die Behörden mitteilten. Darunter seien drei Kinder.