Moser: Van der Bellen "möchte ÖVP auf die Zehen steigen, ohne dass sie es spürt"
In einer TV-Rede mahnte Alexander Van der Bellen Politiker und Anhänger aller Parteien zu respektvollem Umgangston miteinander im politischen Streit. Gleichzeitig fordert der Bundespräsident auch Respekt vor demokratischen Institutionen wie dem Parlament, der unabhängigen Justiz oder der freien Presse und deren Arbeit.
Der Politologe Moritz Moser fasst die Rede des Präsidenten auf PULS 24 zusammen: "Der Bundespräsident möchte der ÖVP auf die Zehen steigen, ohne dass diese es spürt". Indem der Präsident eine Gleichwertigkeit zwischen der Beendigung und Kritik der Regierung am U-Ausschuss und der scharfen Befragung durch die Opposition herstellt, habe der Präsident versucht, der ÖVP "nicht all zu sehr Schmerzen zu bereiten".
Öffentlicher Druck
Der Präsident habe sich nun an die Öffentlichkeit gewandt, weil Kritik laut geworden war, dass er sich zu den Vorgängen der vergangenen Wochen nicht äußern würde, sagt Moser. Immerhin werde gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sowie gegen ein Mitglied der Verfassungsgerichtshofes ermittelt. Außerdem habe der Verfassungsgerichtshof eine Exekution gegen das Finanzministerium angeordnet, weil dieses Akten zu spät an den U-Ausschuss geliefert hatte und eine Exekution gegen das Bundeskanzleramt zumindest in den Raum gestellt, wie Moser ausführt.
"Der Österreicher hat generell eine sehr dicke Hornhaut auf der Seele, was das Verhalten der österreichischen Politiker angeht. Der Bundespräsident wird noch abgebrühter sein", sagt Moser. Van der Bellen habe aber "sicher informelle Gespräche mit der Regierung und der Opposition geführt".
"Fischer hat sich schon vor drei Wochen geäußert"
Dennoch sei Van der Bellen ein "sehr zurückhaltender Charakter". Er versuche immer, möglichst freundliche Vokabeln zu verwenden. Die Rede seit laut Moser deswegen "fast wie ein Politikwissenschaft-Proseminar für 12-Jährige" gewesen.
Sogar der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer habe sich schon vor drei Wochen geäußert und die Vorgänge "stark kritisiert". Auch dieser war aber ein zurückhaltender Präsident - so wie übrigens alle bisherigen Präsidenten Österreichs, sagt Moser: "Van der Bellen ist auf der Skala der österreichischen Bundespräsidenten, die allesamt zurückhaltend waren, am zurückhaltendsten".
Die wichtigste Frage habe Van der Bellen bei seiner Rede außerdem nicht beantwortet: Nämlich was passiert, wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz angeklagt wird. Der Präsident könne den Bundeskanzler schließlich jeder Zeit entlassen.
Zusammenfassung
- Der Politologe Moritz Moser analysierte auf PULS 24 die Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der Präsident wandte sich im politischen Streit zwischen Opposition und Regierung rund um das Ende des Ibiza-Untersuchungsausschusses an das Volk.