Strittiger Merz-Antrag: Experte fordert "Paradigmenwechsel"

Die von der CDU am Mittwoch beantragen Verschärfungen im deutschen Asylrecht schlugen hohe Wellen. Vor allem die Zusammenarbeit der CDU mit der teils gesichert rechtsextremen AfD sorgte für Kritik. Außerdem wären die Vorschläge nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Ein Experte ortet im PULS 24 Interview zudem Säumnisse der EU.

Der am Mittwoch von CDU-Chef Friedrich Merz mit Stimmen der zum Teil rechtsextremen AfD und der FDP durchgebrachte Migrations-Antrag, sorgte über die deutschen Grenzen hinaus für scharfe Kritik. Nicht nur die immerzu verlautbarte Brandmauer der Union aus CDU und CSU zur AfD scheint gefallen, sondern der Kurs kollidiert auch mit dem EU-Recht. 

Denn praktisch sowie rechtlich würden die Implikationen im Entschließungsantrag der Christdemokraten eine "unterbelichtete Rolle" spielen, so Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination Österreich, bei PULS 24. Er sieht darin eine Stimmungsmache im Wahlkampf zur Bundestagswahl im Februar an. 

Merz' Fünf-Punkte-Plan beinhaltet einen besonders scharfen Migrationskurs, der dauerhafte Grenzkontrolle, Zurückweisungen bei der Einreise und eine Haft für Ausreisepflichtige vorsieht. Doch der Praxistest zeigt, dass einige Punkte unzulässig sind. 

"Ganz klare Regeln" der EU 

Die Zurückweisungen an der Grenze würden sich sowohl mit dem EU-Recht als auch mit dem deutschen Grundgesetz spießen, so Gahleitner-Gertz. Denn Deutschland sei verpflichtet, Asylanträge zu prüfen und festzustellen, welches EU-Mitgliedsland zuständig ist. Eine Zurückweisung direkt an der Grenze ist daher verboten. Da gebe es in der Europäischen Union "ganz klare Regeln" und die Nachbarländer, wie Österreich, würden sich gewiss dagegen wehren. 

Auch permanente Grenzkontrollen wären in der geforderten Form nicht möglich, erklärte Europarechtsexperte Walter Obwexer in der ZIB2 am Mittwoch. "Sie sind maximal sechs Monate erlaubt und können für maximal weitere sechs Monate auf längstens bis zu zwei Jahre verlängert werden", so Obwexer. Dafür bräuchte es aber auch bei jeder Verlängerung einen neuen Grund. 

Video: Tabubruch in Deutschland - CDU und AfD bringen gemeinsam Antrag durch

EU-Asylrecht "dysfunktional" 

Dass Mitgliedsländer das EU-Asylrecht brechen, ist keine Seltenheit. So weist Frankreich schon seit Jahren Geflüchtete an der Côte d'Azur zurück. Diese Praxis wurde 2023 vom Europäischen Gerichtshof sowie von französischen Gerichten für rechtswidrig erklärt. 

Gahleitner-Gertz sehe darin ein grundsätzliches Problem der Union. "Wir haben auf Papier zwar ein gemeinsames Asylsystem, aber es ist dysfunktional, weil es bleibt meistens bei den Ländern an den EU-Außengrenzen hängen, die die Menschen schlecht behandeln, damit sie weiterziehen", so der Experte.

Die Lage an den Außengrenzen, also in Ländern wie Griechenland oder Kroatien, müsse sich laut ihm verbessern und gleichzeitig brauche es einen Ausgleich. "Es kann ja nicht sein, dass eine Aufgabe bei den Außengrenz-Ländern liegt und Mitteleuropa putzt sich ab", so Gahleitner-Gertz. Im Verteilungssystem brauche es demnach einen "Paradigmenwechsel"

Was bedeutet der Migrations-Antrag? 

Derzeit handelt es sich bei Merz Plänen nur um einen Entschließungsantrag, der rechtlich nicht bindend ist. Die Bundesregierung wird im Antrag lediglich aufgefordert, die Vorschläge umzusetzen.

Der Grund, weshalb der Antrag so hohe Wellen schlug, ist also weniger im Inhalt, sondern in den Stimmen der AfD zu verorten. Denn es war das erste Mal, dass im Bundestag ein CDU-Antrag mithilfe der AfD erfolgreich war. Zudem scheint die Union den seit 2018 geltenden Unvereinbarkeitsbeschluss, in dem die Christdemokraten jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausschlossen, zu vergessen. 

Merz kündigte an, dass er die Forderungen seines Entschließungsantrags bereits am ersten Tag einer möglichen Kanzlerschaft umsetzen würde, sollte er Kanzler werden. Das ginge allerdings nur mittels der Notstandsklausel im EU-Recht. Dafür wäre aber ein Nachweis notwendig, dass es tatsächlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Deutschland gebe. 

ribbon Zusammenfassung
  • Die von der CDU beantragen Verschärfungen im deutschen Asylrecht am Mittwoch, schlugen hohe Wellen.
  • Vor allem die Zusammenarbeit der CDU mit der teils gesichert rechtsextremen AfD sorgte für Kritik.
  • Gleichwohl wären die Vorschläge nicht mit dem EU-Recht vereinbar.
  • Ein Experte ortet im PULS 24 Interview zudem Säumnisse der EU.