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Menschen mit Behinderung leben zu oft in Einrichtungen

Menschen mit Behinderung leben nach wie vor oft in Einrichtungen und haben keine Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Wohnen, wie es ihnen gemäß der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung zusteht. Das kritisierten der unabhängige Monitoringausschuss, der die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in Österreich überwacht, sowie das Vertretungsnetz am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Die Politik sei hier "äußerst säumig", so der Vorwurf.

"Österreich ist nach wie vor ein Land der Heime", formulierte es Tobias Buchner vom Monitoringausschuss im Vorfeld des internationalen Tags der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember. Probleme der Einrichtungen seien die Segregation von Menschen mit Behinderung vom Rest der Gesellschaft, die strukturelle Gewalt in den Einrichtungen durch starre Strukturen und Regeln, die von den Bewohnern nicht mitbestimmt werden könnten, sowie sexuelle und physische Gewalt, von der Menschen in Einrichtungen in erhöhtem Ausmaß betroffen seien. Gemäß Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention hätten Menschen mit Behinderung aber ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, wo und mit wem sie wohnen und auch den Tagesablauf selbst zu planen.

Als Ziel gilt daher eine De-Institutionalisierung, die aber in Österreich zu schleppend vorangehe. Bestehende Einrichtungen sollen abgebaut und nicht in neue investiert werden, fordert der Monitoringausschuss. Stattdessen brauche es ein ausreichendes flächendeckendes Angebot an persönlicher Assistenz für alle Formen von Behinderungen. An einem Pilotprojekt des Sozialministeriums für eine Vereinheitlichung der persönlichen Assistenz würden sich nur einige Bundesländer beteiligen, zuletzt habe Wien entschieden, das Projekt nicht zu unterstützen, kritisierte Daniela Rammel vom Monitoringausschuss und fordert eine umfassende österreichweite De-Institutionalisierungsstrategie von Bund und Ländern mit konkreten Etappenzielen und Budgetplan.

Viel zu oft hänge ein selbstbestimmtes Leben in Österreich nach wie vor auch davon ab, ob eine Person mit Behinderung über ein ausreichend hohes Einkommen verfüge, kritisierte auch Gerlinde Heim vom Vertretungsnetz und ortet "dringenden Handlungsbedarf". Es müssten daher Rechtsgrundlagen geschaffen werden in der Verfassung, um die internationalen Verpflichtungen Österreichs für die Betroffenen als Rechtsanspruch einklagbar zu machen. Konkret sollen soziale Rechte wie das Rechts auf Mindestversorgung, Pflege und Wohnen in der Verfassung festgeschrieben werden.

Persönliche Assistenz solle es auch für Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen geben, fordert die Geschäftsführerin des Vertretungsnetz, damit könnten viele Erwachsenenvertretungen verhindert werden. Heim kritisierte auch, dass Eltern ein Leben lang unterhaltspflichtig bleiben, wenn ihr Kind aufgrund einer Beeinträchtigung niemals selbsterhaltungsfähig wird. Sinnvoll wäre hier eine Altersgrenze von 25 Jahren.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Pilotprojekt zur persönlichen Assistenz wird nur von einigen Bundesländern unterstützt, während Wien seine Teilnahme ablehnt. Es wird ein flächendeckendes Angebot an persönlicher Assistenz für alle Behinderungsarten gefordert.
  • Gerlinde Heim vom Vertretungsnetz sieht dringenden Handlungsbedarf und fordert einklagbare soziale Rechte in der Verfassung. Zudem wird eine Altersgrenze von 25 Jahren für die Unterhaltspflicht der Eltern vorgeschlagen.