Fernitz-Mellach
Dorf-Wahlkampf: Wenn viral gestritten wird
Knapp 5.000 Menschen leben im steirischen Fernitz-Mellach südlich von Graz. Die Auseinandersetzungen der Parteien sind mittlerweile aber auch über die Grenzen hinaus bekannt. Schuld ist ein TikTok-Video von Hannah Tulnik, das Stand Donnerstagvormittag rund 750.000 Aufrufe hatte. Die 23-jährige Influencerin ist die Tochter des Bürgermeisters, Robert Tulnik, der mit seiner Bürgerliste "Natürlich Wir" am 23. März zur Wiederwahl steht.
In dem Video wehrt sie sich gegen "Lügen", die die VP-Fernitz über ihre Familie verbreitet hätte. Ihre Eltern hätten zwar gesagt, sie solle sich aus dem Konflikt heraushalten, aber sie könne ihre "Schnauze nicht halten".
Die Volkspartei ist sich keiner Schuld bewusst. Wenn "der amtierende Bürgermeister einen gegen seine Person gerichteten Wahlkampf verortet, dann ist das nicht nur falsch, sondern entbehrt jedem Demokratieverständnis", erklärte ÖVP-Ortsparteiobmann Mario Krisper gegenüber PULS 24. Ein Eklat auf TikTok ist für die Partei zudem nichts Neues: Ende Februar war ein Video der ÖVP-Ortspartei mit "Ausländer raus"-Gesängen unterlegt. Mittlerweile wurde es gelöscht.
Gemeinde nicht mehr "familienfreundlich"
Aber worum geht es überhaupt? Streitpunkt ist die Parteizeitung "klar.text". Darin heißt es etwa, dass die Gemeinde seit 2020, als Robert Tulnik ÖVP-Bürgermeister Karl Ziegler ablöste, nicht mehr "familienfreundlich" sei. "Viele Projekte für die Jugend und älteren Generationen" hätten "keinen Platz auf der Tagesordnung mehr" gehabt.
"Das stimmt nicht", entrüstet sich Hannah Tulnik und zeigt Screenshots von erbauten Spielplätzen, einem Kindergemeinderat und Sommerbetreuungsangeboten. Sie beanstandet zudem den Titel "Nie wieder ist jetzt", unter dem die Kritik formuliert ist. Die Phrase sei aus antifaschistischen Kontexten bekannt und daher völlig deplatziert.
"Jeder Spielplatz, den wir in der Gemeinde haben, wurde mit größeren oder kleineren Geräten erweitert oder erneuert", bestätigt Bürgermeister Tulnik im PULS 24 Gespräch.
ÖVP-Ortsparteiobmann Krisper gehe es aber weniger um die Spielplätze, sondern darum "Verantwortung für die Familie und um den damit verbundenen Erhalt der Lebens- und Wohnqualität zu übernehmen", teilte er mit.
Fördergelder für Fußballverein von Bürgermeister-Sohn
Doch das ist natürlich nicht alles. Die VP prangert ebenfalls die Fördermittelvergabe rund um den Fußballverein Fernitz-Mellach an, der von Robert Tulniks Sohn geleitet wird. "Dieser wurde jährlich mit hohen finanziellen Fördermitteln im fünfstelligen Bereich unterstützt", heißt es in der Parteizeitung. Krisper hinterfrage vor allem, ob der "zweckgerichtete Einsatz der Fördermittel", in vollem Umfang erfolgt sei.
Bürgermeister Tulnik weist die Vorwürfe zurück: Seit 2020 habe sich bei den Fördermodalitäten "nichts verändert", man habe nur zusätzlich in Infrastruktur investiert. Es handle sich um eine "Falschdarstellung" der Volkspartei.
VP fühlt sich übergangen - stimmte bei Beschlüssen mit
Zuletzt prangert Hannah Tulnik an, dass die VP in der Parteizeitung anführt, Entscheidungen seien "über die Köpfe des Vorstandes, des Gemeinderats, der Ausschüsse und der Bürgerinnen und Bürger hinweg getroffen" worden.
Fast alle Beschlüsse der vergangenen fünf Jahren seien "einstimmig" gewesen, so ihr Vater. Sowieso gebe es keine "Alleingänge" im Gemeinderat, da seine "Fraktion nicht die Mehrheit hat, sondern nur zehn von 21" Mandaten habe. Die VP hält neun Mandate.
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Dass man bei "vielen Vorstandsbeschlüssen mitgestimmt" habe, gibt auch Krisper zu. Er relativiert aber sogleich, oftmals habe man Entscheidungen "mittragen müssen", die erst kurzfristig vorgelegt worden seien, obwohl sie "häufig" nicht den Wünschen der Volkspartei entsprochen hätten.
Zusammenarbeit fraglich
In der Parteizeitung hätte man ferner "den Umgang miteinander" kritisiert und "nicht nur die einzelnen Projekte". Die VP trete jedenfalls an, "weil wir an ein demokratisches Miteinander glauben", so Krisper.
Zumindest insofern dürfte man sich in Fernitz-Mellach einig sein, denn auch die Liste "Natürlich Wir" teilte auf Facebook mit: "Wir stehen weiterhin für ein respektvolles Miteinander und für eine Politik, die Lösungen sucht — nicht Probleme schafft."
In welcher Form diese Zusammenarbeit in Zukunft weitergehen wird, zeigt sich am 23. März. Bleiben die Verhältnisse so wie bisher, dann wird es knapp. Schließlich trennen VP Liste "Natürlich Wir" nur eine Stimme vom Bürgermeister-Sessel.
Video: Blau-schwarze Steiermark
Zusammenfassung
- Der Wahlkampf in der steirischen Gemeinde Fernitz-Mellach sorgt aktuell für Wirbel: Ein TikTok-Video der Tochter des Bürgermeisters ging viral.
- Darin feuert sie gegen die ÖVP, die würde "Lügen" über ihre Familie erzählen.
- Die Volkspartei ihrerseits verteidigte die Aussagen gegenüber PULS 24.