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IStGH strebt Haftbefehle gegen Netanyahu und Hamas-Chef an

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag beantragt Haftbefehle gegen den Hamas-Führer Yahya Sinwar und den israelischen Premier Benjamin Netanyahu. Auch gegen Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant und zwei Mitglieder der Hamas Führung würde Haft beantragt werden.

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag soll vor einer Beantragung von Haftbefehlen gegen Hamas-Führer Yahya Sinwar und den israelischen Premier Benjamin Netanyahu stehen.

Vorgeworfen werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza. 

Anträge auch gegen Gallant und Hamas-Führer 

Auch gegen Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant und zwei weitere Hamas-Führer werden Haftanträge beantragt. Sie richten sich gegen den Führer der Al Quassam Brigade Mohammed Deif und den politischen Führer der Terrororganisation, Ismail Haniyeh.

ICC-Chefankläger Karim Khan sprach davon, dass die Haftbefehle beantragt werden.

Der Haftbefehl ist der erste seiner Art gegen einen engen Verbündeten der USA. Neben Netanyahu hat der Strafgerichtshof auch schon gegen den russischen Machthaber Wladimir Putin einen Haftbefehl erlassen. 

Die Anträge werden nun von einem Richter-Gremium des Strafgerichtshofs geprüft.

Hamas will Fortsetzung des "Vernichtungskriegs"

Vorgeworfen wird den Hamas-Mitgliedern Sinwa, Haniyeh und al-Masri "Ausrottung, Mord, Geiselnahme, Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe in der Haft", so Chefankläger Khan in dem Interview.

Die Terrororganisation Hamas reagierte bereits auf den Antrag: Es würden damit "Opfer mit Henker gleichgesetzt werden", durch die Entscheidung würde eine Fortsetzung des "Vernichtungskriegs" gefördert, zitiert die Nachrichtenagentur "Reuters" einen Sprecher.

Netanyahu und Gallant wird unter anderem vorgeworfen, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein. 

"Niemand ist über dem Gesetz", so Khan gegenüber "CNN". Israel könne gegen Rechtssprechung des Strafgerichtshofs Berufung einlegen. 

Israel zeigt sich empört

Netanyahu schrieb bei X, Israel werde unter seiner Führung "niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben". Der Regierungschef hatte vor einem "gefährlichen Präzedenzfall" gewarnt, "der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen".

Der Antrag auf einen Haftbefehl gegen Netanyahu und Gallant sei selbst "ein Verbrechen von historischem Ausmaß", sagte Benny Gantz, Minister im israelischen Kriegskabinett. "Parallelen zwischen den Führern eines demokratischen Landes, das entschlossen ist, sich gegen den verabscheuungswürdigen Terror zu verteidigen, und den Führern einer blutrünstigen Terrororganisation zu ziehen, ist eine tiefe Verzerrung der Gerechtigkeit und ein eklatanter moralischer Bankrott", sagte Gantz.

"Skandalöse Entscheidung"

Der israelische Außenminister Israel Katz sprach von einer "skandalösen Entscheidung". Diese stelle "einen frontalen, zügellosen Angriff auf die Opfer des 7. Oktober und unsere 128 Geiseln in Gaza" dar.

"Während die Mörder und Vergewaltiger der Hamas Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen unsere Brüder und Schwestern begehen, erwähnt der Chefankläger im gleichen Atemzug unseren Ministerpräsidenten und Verteidigungsminister, neben den verabscheuungswürdigen Nazi-Monstern der Hamas - eine historische Schande, die für immer in Erinnerung bleiben wird", sagte Katz nach Angaben seines Büros.

Selbst Oppositionsführer Yair Lapid übte scharfe Kritik an den beantragten Haftbefehlen gegen seine Landsleute. "Wir können den empörenden Vergleich zwischen Netanyahu und Sinwar nicht akzeptieren, zwischen den Anführern Israels und den Anführern der Hamas".

US-Präsident Joe Biden bezeichnete das Vorgehen des Chefanklägers als "empörend". Israel und die Hamas dürften nicht gleichgestellt werden, teilte er am Montag mit. Ähnlich äußerte sich Außenminister Antony Blinken.

"Wir weisen die Gleichsetzung Israels mit der Hamas durch die Anklage zurück", so Blinken. "Die Hamas ist eine brutale Terrororganisation, die das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust verübt hat und noch immer Dutzende von unschuldigen Menschen als Geiseln hält, darunter auch Amerikaner." Die USA und Israel sind keine Vertragsparteien des Strafgerichtshofs, anders als etwa Österreich.

Kritik am IStGH-Chefankläger ließ auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) anklingen. "Wir respektieren die Unabhängigkeit des IStGH. Dass die Anführer der Terrororganisation Hamas, deren erklärtes Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist, in einem Atemzug genannt werden mit demokratisch gewählten Vertretern eben dieses Staates, ist nicht nachvollziehbar", schrieb Nehammer am Pfingstmontag auf X.

Keine Möglichkeit zur Vollstreckung

Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle auch zu vollstrecken. Doch ist im Falle einer Vollstreckung die Bewegungsfreiheit der Gesuchten stark eingeschränkt ist. Denn eine Folge der Haftbefehle wäre, dass alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet sind, die Gesuchten festzunehmen und dem Gericht zu übergeben, sobald sie sich in ihrem Land befinden.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag beantragt Haftbefehle gegen den Hamas-Führer Yahya Sinwar und den israelischen Premier Benjamin Netanyahu.
  • Vorgeworfen werden Kriegsverbrechen und Verbrechen die Menschheit im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza. 
  • Auch gegen Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant und zwei Mitglieder der Hamas Führung würde Haft beantragt werden.