Saudi-arabische Grenzsoldaten töten Migranten an der Grenze zu JemenScreenshot / Human Rights Watch

Massenmord an Migranten? Schwere Vorwürfe gegen Saudi-Arabien

Saudi-arabische Grenzschützer sollen seit Anfang 2022 an der Grenze zum Jemen Hunderte Migranten aus Äthiopien getötet haben. Der Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch stützt sich auf Zeugenaussagen und Aufnahmen - in Riad schweigt man zu den Vorwürfen.

"Als die saudischen Grenzsoldaten auf uns zukamen, eröffneten sie das Feuer. Eine Kugel traf mein Bein", erzählt ein 17-jähriger Überlebender. Er ist einer von den jährlich mehr als 200.000 Menschen, die sich auf die gefährlich Reise vom Horn von Afrika nach Saudi-Arabien machen.

Für viele von ihnen endet die Reise an der Grenze zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien. Dort sollen saudi-arabische Grenzsoldaten seit Anfang 2022 Hunderte Migrant:innen aus Äthiopien getötet haben, so ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

Einsatz von Schusswaffen

Die Soldaten sollen dafür auch Mörsergeschosse und Raketenwerfer verwendet haben. "Es war wie eine Bombe. Von den 300 Leuten [unserer Gruppe] starben 150", beschreibt eine andere Überlebende der HRW.

Der nun veröffentlichte Bericht stützt sich auf 38 Zeugeninterviews, Satellitenbilder und online veröffentliche Aufnahmen. Alleine aus den Zeugenaussagen gingen mindestens 28 "Vorfälle mit Schusswaffen" hervor. Die Identität mancher Migrant:innen sei nicht mehr feststellbar, so ein Augenzeuge, "weil ihre Leichen überall herumgeworfen wurden."

Saudi-Arabien schweigt zu Vorwürfen

Die Vorfälle ereigneten sich Human Rights Watch (HRW) zufolge zu einem großen Teil nach einer im April 2022 in Kraft getretenen Waffenruhe im jemenitischen Bürgerkrieg, in dem Saudi-Arabien Kriegspartei ist.

Offizielle Vertreter Saudi-Arabiens ließen Anfragen der Nachrichtenagentur AFP zu den Vorwürfen bisher unbeantwortet, HRW zufolge antwortete Riad auch nicht auf entsprechende schriftliche Anfragen.

Bereits im vergangenen Jahr hatten UN-Experten über "besorgniserregende Vorwürfe" berichtet, denen zufolge saudi-arabische Sicherheitskräfte an der Grenze zum Jemen in den ersten Monaten des Jahres 2022 etwa 430 Migranten getötet hätten.

Massenmord-Vorwurf gegen Saudi-Arabien: "Tötungen zeigen eine bewusste Eskalation"

UNO-Untersuchung gefordert

"Ich habe gar nicht mitbekommen, dass ich angeschossen wurde, aber als ich versuchte aufzustehen, war ein Teil meines Beines weg", schildert der 21-jährige Mustafa Soufia Mohammed der BBC. Sein Bein musste amputiert werden. Er habe sich aus Äthiopien auf den Weg nach Saudi-Arabien gemacht, um das Leben seiner Familie zu verbessern. Zurück in Äthiopien sei er nun auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen. 

Human-Rights-Forscherin Nadia Hardman erklärte, saudi-arabische Sicherheitskräfte töteten "Hunderte von Migranten und Asylsuchenden in diesem abgelegenen Grenzgebiet außerhalb der Sichtweite der übrigen Welt". Die HRW fordert daher eine Untersuchung der Vorfälle durch die Vereinten Nationen.

"Was wir hier dokumentiert haben, sind im Wesentlichen Massenmorde", hält Hardman gegenüber der BBC fest. Der Versuch Saudi-Arabiens, sein Image mit dem "milliardenschweren Aufkauf von Golfevents, Fußballclubs und großen Shows" aufzuwerten, dürfe "nicht von diesen schrecklichen Verbrechen ablenken".

ribbon Zusammenfassung
  • Saudi-arabische Grenzschützer sollen seit Anfang 2022 an der Grenze zum Jemen Hunderte Migranten aus Äthiopien getötet haben.
  • Der Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch stützt sich auf Zeugenaussagen und Aufnahmen,
  • In Riad schweigt man zu den Vorwürfen.