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Söder will Aiwanger trotz Vorwürfen im Amt belassen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fest. Und das trotz der Affäre rund um antisemitische Flugblätter. Heftige Kritik kommt von der Opposition.

Eine Entlassung wäre aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag bei einer Pressekonferenz in München. Vor seiner Entscheidung habe er ein langes Gespräch mit Aiwanger geführt. "Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen können", sagte Söder. Aiwanger bezeichnete die Vorwürfe als gescheiterte politische Kampagne gegen ihn.

CSU-Chef Söder betonte: "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben." Er sagte zudem: "Und alle Angebote der Opposition, die jetzt so gemacht werden, laufen ins Leere." Am Samstagabend habe es ein langes, persönliches Gespräch gegeben, in dem Aiwanger mehrfach versichert habe, dass das Flugblatt nicht von ihm sei. Auch eine Sitzung des Koalitionsausschusses habe es gegeben.

Schlechtes Krisenmanagement

Allerdings kritisierte Söder das Krisenmanagement Aiwangers in den vergangenen Tagen. Dieses sei "nicht sehr glücklich" gewesen. Aiwanger hätte die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen, so Söder.

Aiwangers Entschuldigung sei "spät", aber "nicht zu spät" gekommen. Die Entschuldigung sei richtig und notwendig gewesen. Von Aiwanger forderte Söder nun, alles daran zu setzen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und etwa Gespräche mit jüdischen Gemeinden zu suchen.

Keine Entlassung

Söder begründete seine Entscheidung gegen eine Entlassung Aiwangers mit fünf Punkten. Nach Bewertung "aller vorliegenden Fakten" stelle es sich für ihn am Ende so dar, sagte der CSU-Chef: "Erstens er hat in seiner Jugend wohl schwere Fehler gemacht, das auch zugestanden. Er hat sich dafür zweitens entschuldigt, davon distanziert und auch Reue gezeigt."

Und weiter: "Drittens: Ein Beweis jedoch, dass er das Flugblatt verfasst oder verbreitet hat, gibt es bis heute nicht, dagegen steht seine ganz klare Erklärung, dass er es nicht war. Viertens: Seit dem Vorfall von damals gibt es nichts Vergleichbares. Fünftens: Das Ganze ist in der Tat 35 Jahre her. Kaum einer von uns ist heute noch so, wie er mit 16 war." In der Gesamtabwägung wäre eine Entlassung aus dem Amt aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, sagte Söder.

Aiwanger sieht "Schmutzkampagne"

"Das war ein schmutziges Machwerk", sagte Aiwanger indes am Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt in Grasbrunn (Landkreis München). "Die Freien Wähler sollten geschwächt werden." Doch die Partei sei durch die Vorwürfe "gestärkt worden", sagte Aiwanger. "Wir haben ein sauberes Gewissen." Seine Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert". Von dieser "Kampagne" würden sich später noch einige Beteiligte distanzieren müssen, sagte Aiwanger.

Aiwanger hatte zuletzt einen umfangreichen Fragenkatalog Söders zu den Vorwürfen schriftlich beantworten müssen. Danach traf Söder nun - wie angekündigt - seine Entscheidung. CSU und Freie Wähler haben bisher stets erklärt, ihre Koalition nach der Wahl fortsetzen zu wollen.

Flugblatt-Affäre

Gegen den Freie-Wähler-Chef waren seit einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen - insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Auf X (ehemals Twitter) wies er zudem den Vorwurf, er habe Hitlers "Mein Kampf" in der Schultasche gehabt, als "Unsinn" zurück. Zu weiteren Vorwürfen äußerte er sich entweder nicht oder sagte, er könne diese aus seiner Erinnerung weder dementieren noch bestätigen.

Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei - was ihm sofort neue Vorwürfe etwa des Zentralrats der Juden einbrachte.

Wahl steht bevor

Dass Söder aktuell trotz alledem an Aiwanger festhält, dürfte insbesondere mit der unmittelbar bevorstehenden Landtagswahl am 8. Oktober zusammenhängen. Auch wenn CSU und Freie Wähler ihre Koalition fortsetzen wollen, hatte Söder zuletzt gesagt, Koalitionen hingen "nicht an einer einzigen Person". "Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso."

Die Freien Wähler stehen jedoch fest zu ihrem Vorsitzenden. Bei Wahlkampfauftritten wird Aiwanger ungeachtet der Affäre teils kräftig gefeiert.

Kritik von Opposition

Aus der bayerischen Opposition kam sofort heftige Kritik an der Entscheidung Söders. SPD-Landeschef Florian von Brunn sprach von einem "traurigen Tag für das Ansehen von Bayern in Deutschland und der Welt". Ähnlich äußerte sich der Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann: Söder habe "heute einen schlechten Deal für unser schönes Bayern gemacht", sagte er.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Entscheidung Söders an Aiwanger festzuhalten, als Schaden für das Ansehen Deutschlands. "Herr Söder hat nicht aus Haltung und Verantwortung entschieden, sondern aus schlichtem Machtkalkül", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

ribbon Zusammenfassung
  • Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger fest.
  • Eine Entlassung wäre aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, sagte Söder am Sonntag bei einer Pressekonferenz in München.
  • Und das trotz der Affäre rund um antisemitische Flugblätter.
  • Heftige Kritik kommt von der Opposition.