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Mair: Grüne müssen sich "teils neu erfinden"

Tirols Grünen-Chef und Klubobmann Gebi Mair empfiehlt seiner Partei, sich "teilweise neu zu erfinden" und warnt diese davor, eine "Altpartei" zu werden. Man müsse auch "alte Dogmen hinterfragen", sagte Mair im APA-Interview. Das gelte etwa für die "scheinheilige Neutralitätsdebatte". Auch Bauern müssten verstärkt angesprochen werden. Hinsichtlich der Nationalratswahl im Herbst sah der Landessprecher einen FPÖ-Sieg indes noch nicht ausgemacht.

Bauern wären etwa nicht "an die ÖVP verloren", konkretisierte Mair auf Nachfrage die zu hinterfragenden Dogmen. "Viele junge Bauern sind grüner als manche Grüne", meinte er. Die Grünen müssten generell "aufpassen, dass wir niemals zur Altpartei werden, sondern immer Partei der Hoffnung, vor allem für Junge". Diese würden "vieles ganz anders sehen", etwa in der "für viele junge Menschen scheinheiligen österreichischen Neutralitätsdebatte". Man müsse gerade Junge ermutigen, "jedes Dogma zu hinterfragen".

Die Menschen würden "herausfordernde und belastende Zeiten" erleben, führte Mair auf Nachfrage zu möglichen Gründen für das jüngste Abschneiden der Grünen in Stadt Innsbruck, Land und bei den EU-Wahlen trotz georteter hoher Dringlichkeit der Klimakrise aus. Diese wüssten gleichzeitig darum, dass die "Klimakrise unser Leben auf den Kopf stellen wird" - allerdings "erst übermorgen". Deshalb würden viele das auf die Seite schieben und sich mit akuten Problemen beschäftigen. Die Grünen müssten dem Rechnung tragen und auch "den Blick für heute" und aktuelle Probleme vermitteln, forderte Mair - ohne auf die langfristige Perspektive und die Klimakrise zu vergessen: "Die Aufgabe der Grünen ist es, wieder Hoffnung zu schaffen". Man müsse als Grüne den Menschen ein Angebot machen, "ein neues Kapitel zu schreiben". "Glaubwürdig" aufzutreten, sei eine wesentliche Aufgabe der Grünen. Und "es reicht nicht, wenn man das auf ein Plakat schreibt", ergänzte der Klubobmann.

Indes sah Mair mit der umstrittenen Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für das Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene erste Schritte in diese Richtung bereits getan. Bei den Menschen sei angekommen, dass den Grünen "Glaubwürdigkeit" wichtiger sei als "irgendwelche Machtspielchen". Das Vorgehen Gewesslers sei kein Alleingang, sondern breit getragen gewesen. Damit hätten sich die Grünen aus einer "Abwärtsbewegung" befreit und würden nun einen "Boost" erleben. Dass Gewessler damit einen Verfassungsbruch begangen hätte, stellte Mair in Abrede. Alles andere sei "Gaga-Kommunikation" der ÖVP und "Fake News". Wenn Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) gegen das Gesetz auftrete, müsse sich vielmehr dieser fragen, "ob er noch ein Bauernvertreter oder schon ein Bauernverräter" sei. Gewessler werde man sich bei einer möglichen künftigen Regierungsbeteiligung als Ministerin jedenfalls "nicht herausschießen lassen". Der ÖVP würden die Erfolge Gewesslers nicht gefallen, er verstehe den dahin gehenden "Neid", so Mair.

Dass die FPÖ bei der Nationalratswahl im Herbst stärkste Partei werden könnte, sah Mair nicht in Stein gemeißelt. Eine Mehrheit gegen die Freiheitlichen sei möglich. Eine neuerliche Koalitionsbeteiligung der Grünen sei wiederum denkbar, auch eine Dreierkoalition nicht auszuschließen - über deren Zusammensetzung wollte Mair nicht spekulieren.

Die nunmehrige Landesregierung aus ÖVP und SPÖ stehe im Gegensatz zu Schwarz-Grün - man hatte von 2013 bis 2022 in Tirol koaliert - für eine "Wiederkehr des schwarz-roten Morast" und eine "Rückkehr in alte Denkmuster". Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) wolle "wahrscheinlich das Gute", gestand Mair zu. Dieser sei jedoch "gefangen im Spinnennetz aus ÖVP-Bünden". Dem Landeschef fehle es auch innerparteilich an Gewicht, er präsentiere sich teils mehr wie ein "scheues Reh", das sich "lieber in den Wald zurückzieht". Altlandeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Ex-Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) seien "ein anderes Powerteam" gewesen als Mattle und Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ), "der als Partytiger durch die Cocktailbars zieht".

Inhaltlich übte Mair Kritik an der Kündigung von Stromlieferverträgen durch den Energieversorger Tiwag. Dieser "geistert völlig ohne Steuerung durch das Land". Mit einer grünen Regierungsbeteiligung wäre das "sicher nicht passiert". In Sachen Transit gehe es vor allem darum, nicht "alte Fehler zu wiederholen", sprach sich der Klubchef gegen einen geplanten Fernpasstunnel aus. Dieser würde nur zu mehr Transit führen. Das von Mattle forcierte "Slot-System" sei ein "Luftschloss". Stattdessen sprach sich Mair für eine Alpentransitbörse aus sowie für eine gesicherte Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene und damit in den im Bau befindlichen Brennerbasistunnel.

Zu seiner persönlichen Zukunft wollte sich der 40-jährige Mair auf Nachfrage nicht konkret äußern. Er habe grundsätzlich "nicht vor, in der Politik in Pension zu gehen". Noch habe er jedenfalls das Gefühl, "im Land und in der Partei etwas bewegen zu können". Ob er bei der Landtagswahl 2027 wieder Spitzenkandidat der Grünen werden wolle, ließ Mair auf Nachfrage offen.

ribbon Zusammenfassung
  • Gebi Mair, Tirols Grünen-Chef, fordert eine teilweise Neuerfindung seiner Partei, um nicht zur 'Altpartei' zu werden und alte Dogmen zu hinterfragen.
  • Mair betont die Notwendigkeit, insbesondere junge Menschen und Bauern verstärkt anzusprechen, da viele junge Bauern grüner seien als manche Grüne.
  • Er lobt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler für ihre Zustimmung zum Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene und weist Vorwürfe eines Verfassungsbruchs als 'Gaga-Kommunikation' zurück.
  • Mair glaubt, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl im Herbst nicht zwangsläufig stärkste Partei wird und hält eine Mehrheit gegen die Freiheitlichen für möglich.
  • Er äußert sich kritisch zur Kündigung von Stromlieferverträgen durch den Energieversorger Tiwag und spricht sich gegen den geplanten Fernpasstunnel aus.