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Macron will deutsch-französische Freundschaft stärken

Beim ersten Staatsbesuchs eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 24 Jahren haben Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft beschworen. Die Zusammenarbeit beider Länder sei "unabdingbar und wichtig", sagte Macron nach seiner Ankunft mit Gattin Brigitte in Berlin. Er widersprach dem Eindruck, dass der deutsch-französische Motor ins Stottern geraten sei: "Das stimmt nicht. Wir schreiten voran."

Steinmeier sagte, die deutsch-französische Freundschaft sei "existenziell für unsere Länder, auch für Europa". Es habe zwar immer wieder Kritik an Meinungsverschiedenheiten gegeben. "Aber bis in die letzten Tage hinein gibt es doch genügend Belege dafür, dass wir uns trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte am Ende einigen", sagte der Bundespräsident. "Diese Zeiten fordern das Beste in uns heraus, und das Beste in uns ist das Gemeinsame."

Steinmeier und Macron sicherten der von Russland angegriffenen Ukraine anhaltende Unterstützung zu und riefen gemeinsam auf, Anfang Juni an der Europawahl teilzunehmen. Macron warnte aber auch eindringlich vor der Wahl extrem rechter Parteien. Wenn diese Parteien in den letzten Jahren am Ruder gewesen wären, "dann gäbe es kein Europa mehr".

"Dieser Staatsbesuch (...) erfolgt zu einem entscheidenden Moment für Europa", betonte Macron. "Wir müssen im Grunde imperialistischem Streben in Europa, einer Rückkehr der Gewalt und der Rechtslosigkeit, und beispiellosen Herausforderungen für unsere Zukunft die Stirn bieten". Dies setze "in gewisser Weise einen deutsch-französischen Schub voraus".

Zum Auftakt des dreitägigen Besuchs besuchten die beiden am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratiefest im Regierungsviertel zur Feier von 75 Jahren Grundgesetz. Anschließend wurde Macron von Steinmeier vor dem Schloss Bellevue offiziell mit militärischen Ehren empfangen. Es handelte sich um den ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 24 Jahren.

Beim Staatsbankett zu Ehren Macrons rief Steinmeier zu mehr Leidenschaft für das vereinte Europa auf. Es brauche mehr als unseren Geist, sagte der Gastgeber in seiner Tischrede. "Es braucht unser Herz. Es braucht unsere vereinte Kraft, wenn wir dieses Europa erhalten, wenn wir es gestalten wollen. Es braucht Leidenschaft." Es brauche vor allem die Leidenschaft der Jugend, betonte Steinmeier bei dem Abendessen, an dem neben Kanzler Olaf Scholz auch dessen Vorgängerin Angela Merkel und der frühere Bundespräsident Christian Wulff teilnahmen. "Du bist ein leidenschaftlicher Europäer, unerschütterlich in der Überzeugung, dass wir gemeinsam mehr erreichen", sagte Steinmeier zu seinem Gast. Serviert wurden Sauerbraten und Beelitzer Spargel.

Am Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirche in Dresden halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens geehrt - bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit Kanzler Scholz und mehreren Mitgliedern beider Regierungen zusammenkommt. Dabei soll es um die europäische Verteidigung und die Wettbewerbspolitik gehen.

Französische Präsidenten kommen zwar recht häufig zu politischen Gesprächen nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesuch hatte aber Präsident Jacques Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesuch dauert anders als ein Arbeitsbesuch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegten Protokoll, zu dem beispielsweise ein Staatsbankett und der Besuch an mindestens einem Ort außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als Präsident eines der fünf ostdeutschen Bundesländer neben Berlin besuchen. Im Juli vergangenen Jahres hatte er den Staatsbesuch wegen Unruhen in Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.

Steinmeier und Macron betonten am ersten Tag des Staatsbesuchs auch ihre guten persönlichen Beziehungen. Auf Regierungsebene läuft es zwischen Berlin und Paris aber derzeit nicht so gut. Bei Schlüsselthemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädten. Das gilt für die Unterstützung für die Ukraine ebenso wie etwa für die wirtschaftspolitische Ausrichtung gegenüber den Konkurrenten USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesuch bei einem deutsch-französischen Ministerrat am Dienstagnachmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der deutschen Bundesregierung, nördlich von Berlin erörtert werden.

So predigt Macron eine größere europäische Autonomie mit eigener Verteidigungsstrategie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlantischen Orientierung und dem wichtigen Handelspartner China fest. Und im Ukraine-Konflikt überraschte Macron Scholz mit seinen Überlegungen zum Entsenden von Bodentruppen, was Scholz kategorisch ablehnt.

Auch eine Lieferung von weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern an das von Russland angegriffene Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug vor, als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU insgesamt viel zu wenig für die Ukraine zu tun.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisierte, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr seien. Er verlangte unmittelbar vor dem Besuch Macrons ein klares europapolitisches Signal der Bundesregierung. Merz kritisierte, dass Macron aus Berlin zu seinen beiden großen Europa-Reden an der Sorbonne keine Antwort aus Deutschland bekommen habe. "Das ist in Paris zu Recht, und zwar parteiübergreifend, auf große Irritation gestoßen", sagte Merz dem Sender rbb24 Inforadio. Macron trat diesem Eindruck auf einer gemeinsamen Pressekonferenz entgegen. Es habe zwar keine formale Antwort gegeben, trotzdem habe er mit Merkel gemeinsame Projekte auf den Weg gebracht.

ribbon Zusammenfassung
  • Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier haben bei Macrons erstem Staatsbesuch in Deutschland seit 24 Jahren die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft für Europa hervorgehoben.
  • Beide Staatsführer sicherten der Ukraine anhaltende Unterstützung zu und warnten vor den Gefahren rechtsextremer Parteien in Europa.
  • Macron betonte die Notwendigkeit eines deutsch-französischen Schubs, um imperialistischen Bestrebungen und der Rückkehr der Gewalt in Europa entgegenzutreten.
  • Bei einem Staatsbankett rief Steinmeier zu mehr Leidenschaft für das vereinte Europa auf und betonte die Wichtigkeit der Jugend für die europäische Zukunft.
  • Trotz guter persönlicher Beziehungen gibt es Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich in Schlüsselbereichen wie der Unterstützung für die Ukraine und der wirtschaftspolitischen Ausrichtung.