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Gutachten: Lobautunnel würde gegen EU-Recht verstoßen

Der Lobautunnel ist rechtswidrig, sein Bau würde EU-Recht brechen. Zu diesem Schluss kommt ein neues Gutachten der Uni Innsbruck im Auftrag der Umweltinitiative "virus".

Leonore Gewessler (Grüne) war kaum Verkehrsministerin, als sie bereits für große Aufregung - positive und negative - sorgte, weil sie den Bau des umstrittenen Lobautunnels stoppte. Die Empörung der Stadt Wien war groß, auch die Wirtschaftskammer pochte auf die Fortsetzung des Baus. 

Die Vermutung stand im Raum, dass, sobald Gewessler nicht mehr Ministerin ist, auch das Projekt wieder an Fahrt aufnimmt.

Mehrere Straßenprojekte rechtswidrig

S1 Lobauschnellstraße mit dem Lobautunnel, S8 Marchfeld-Schnellstraße sowie S34 Traisental-Schnellstraße sind aber rechtswidrig, besagt ein neues Gutachten der Uni Innsbruck. Bei den Prüfungen für das umstrittene Bauprojekt wurde EU-Recht ignoriert

Neuerungen des Projekts sollen nicht geprüft worden sein, Baugenehmigungen dürfen auf dieser Basis nicht erteilt werden. Somit könne auch kein anderer Verkehrsminister das Bauvorhaben in dieser Form EU-rechtskonform durchbringen.

Es gäbe Mängel bei der Strategischen Umweltprüfung (SUP). Das teilte Gutachter Thomas Müller am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien mit.

EU-Recht gilt auch in Österreich

Laut dem Gutachten sind die Projekte zu unterlassen, wenn sie unionsrechtswidrig keiner SUP unterzogen wurden. Auf Basis rechtswidriger Pläne dürften keine Genehmigungen erteilt werden. Diese unionsrechtliche Perspektive auf den Lobautunnel war bis jetzt nur wenig beachtet worden, so die Umweltinitiative "virus".

"Guten Morgen! Österreich ist seit nahezu 30 Jahren Mitglied der Europäischen Union und es gilt der Anwendungsvorrang von EU-Recht mit weitreichenden Konsequenzen.", so die Initiative "virus" in einer Aussendung.

Projekt-Änderungen hätten geprüft werden müssen

Erstellt wurde das Gutachten von Thomas Müller, Professor und Jurist an der Universität Innsbruck. Im Fall der S1 Schwechat-Süßenbrunn hält das Gutachten fest, dass es bei seiner Aufnahme 2002 zwar nicht von der SUP-Pflicht erfasst war.

Dies gelte aber nicht für die 2006 und 2011 erfolgten Änderungen, "für die zumindest ein Screening durchzuführen gewesen wäre". "Es ist daher davon auszugehen, dass in diesem Fall der Plan oder das Programm auszusetzen gewesen wäre", so Müller. Auch bei der S8 und der S34 ortete das Gutachten Mängel in den Prozessen.

Bau wäre EU-Rechtsbruch

Ein weiteres Erkenntnis des Gutachtens ist, dass eine Durchführung der Bauvorhaben einem EU-Rechtsbruch gleichkäme - demnach könne auch kein späterer Verkehrsminister hier politischen Willen durchsetzen. 

Gewessler beachtete Unionsrecht

Auch Umweltjurist Gregor Schamschula vom Ökobüro teilt diese Rechtsansicht. Er betont gegenüber PULS 24, dass Unionsrecht in den "bestehenden Gutachten quasi nicht beachtet wurde". Demnach war auch Gewesslers Stopp des Bauvorhabens unionsrechtskonform. Somit seien nationale Bedenken ausgeräumt. Eine zweite Konsequenz sei, dass die Verwirklichung derartiger Straßenprojekte EU-rechtlich nicht gedeckt ist.

Keine Basis für Genehmigungen

"Für uns bedeutet das hinsichtlich der Verfahrensebene, dass in den laufenden oder ausständigen Verfahren keine Genehmigungen erteilt werden dürfen", sagte Wolfgang Rehm von "Virus". Dies betreffe vor allem die S1. "Bei der S8 ist aktuell ohnehin nur eine Abweisung denkmöglich, bei der S34 ist die wahrscheinlich erforderliche Änderungsgenehmigung ausgeschlossen", so Rehm.

Aus dem Klimaministerium heißt es gegenüber PULS 24, dass aktuell noch eine Strategische Prüfung Verkehr laufe. Deren Ergebnisse würden in einem halben Jahr erwartet werden. Die Bundesländer Wien und Niederösterreich wurden eingeladen, bei der Erarbeitung von Zukunftslösungen mitzuwirken, allerdings wurde dem nicht nachgekommen. Auf die Erkenntnisse aus dem neuen Gutachten wurde nicht eingegangen. 

ribbon Zusammenfassung
  • Der Lobautunnel liegt vorerst auf Eis. Ein neues Gutachten sieht nun, dass EU-Recht bei den Prüfungen ignoriert.
  • Demnach wurden Neuerungen des Projekts nicht geprüft und sind deshalb rechtswidrig, Baugenehmigungen dürfen auf dieser Basis nicht erteilt werden.
  • Somit könne auch kein anderer Verkehrsminister das Bauvorhaben in dieser Form EU-rechtskonform durchbringen.