APA/APA/AFP/FETHI BELAID

Lage in Tunesien spitzt sich vor Präsidentenwahl zu

In Tunesien nehmen die Spannungen weniger als einen Monat vor der Präsidentenwahl zu. Das höchste Gericht wies am Samstag die Wahlkommission an, zwei Kandidaten wieder zuzulassen. Die Richter warnten, andernfalls könne die Legitimität der Wahlen am 6. Oktober in Frage gestellt werden. Am Freitag war es zur größten regierungskritischen Kundgebung seit zwei Jahren mit Tausenden Teilnehmern gekommen, die gegen Einschränkungen demokratischer Rechte protestierten.

Sie riefen "Raus mit Diktator Saied" mit Blick auf den amtierenden Präsidenten Kais Saied. Viele Gegner des Präsidenten fürchten, dass die Wahlen manipuliert werden.

Die Wahlkommission hatte sich Anfang September geweigert, der Entscheidung des Obersten Gerichts Folge zu leisten und die Kandidaten Abdellaif Mekki, Mondher Znaidi und Imed Daimi wieder zuzulassen. Die Wahlkommission hatte die drei Gegenkandidaten von Saied wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten aus dem Rennen genommen. Der Wahlleiter Farouk Bouasker wies Vorwürfe zurück, die Wahlkommission diene dem Machterhalt von Saied und erklärte, nur die Wahlkommission garantiere den rechtmäßigen Ablauf der Präsidentenwahl.

Znaidi und Mekki hatten eine neue Beschwerde gegen die Kommissionsentscheidung eingelegt, der das Oberste Gericht am Samstag stattgab. Die Richter erklärten, die von Präsident Saied handverlesene Kommission sei verpflichtet, ihre Anordnungen umzusetzen.

Saied wurde 2019 demokratisch gewählt. 2021 löste er das Parlament per Dekret auf und setzte eine Verfassung durch, die alle wesentlichen Befugnisse dem Präsidenten übertrug. Er begründete dies mit der jahrelangen Krise in Tunesien. Kritiker sprechen von einem Staatsstreich. In Tunesien nahm 2011 der Arabische Frühling seinen Anfang, der Hoffnung auf eine Demokratisierung der Region geweckt hatte.

Die Demonstranten warfen am Freitagabend in der Hauptstadt Tunis Saied einen autoritären Regierungsstil vor. "Keine Angst. Keine Einschüchterung. Die Macht liegt in den Händen des Volks", riefen einige von ihnen laut Augenzeugen. Auch sie kritisierten, dass ernsthafte Gegenkandidaten Saieds von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Einige riefen Parolen der Proteste ab 2010, die zum Sturz von Langzeitherrscher Zine al-Abidine Ben Ali geführt hatten.

Die Wahl in dem Mittelmeerland soll morgen in drei Wochen stattfinden. Mehr als ein Dutzend möglicher Bewerber um das höchste Amt wurden im Vorfeld auch verurteilt, einige von ihnen zu Haftstrafen sowie zu Verboten, sich um öffentliche Ämter zu bewerben.

ribbon Zusammenfassung
  • Weniger als einen Monat vor der Präsidentenwahl in Tunesien nehmen die Spannungen zu. Am Samstag wies das höchste Gericht die Wahlkommission an, zwei Kandidaten wieder zuzulassen, um die Legitimität der Wahlen am 6. Oktober zu gewährleisten.
  • Am Freitag kam es zur größten regierungskritischen Kundgebung seit zwei Jahren. Tausende Teilnehmer protestierten gegen Einschränkungen demokratischer Rechte und riefen 'Raus mit Diktator Saied' mit Blick auf den amtierenden Präsidenten Kais Saied.