Kritik zu Transparenzgesetz: "Kniefall vor den ÖVP-Bürgermeistern"
Der am Donnerstag präsentierte Gesetzesentwurf zur Informationsfreiheit hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Für Kritik sorgte besonders die Ausnahme kleiner Gemeinden von der proaktiven Informationspflicht. Während die FPÖ dem Gesetzentwurf in dieser Form prompt eine Absage erteilte und auch die NEOS deutliche Kritik übten, zeigte sich die SPÖ für eine Zustimmung zur erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gesprächsbereit.
FPÖ: "Kniefall vor den ÖVP-Bürgermeistern"
Klare Ablehnung kam von den Freiheitlichen, die im neuen Entwurf einen "Rückschritt zu der bislang bekannten Version" sieht. Konkret bemängelten FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und der Abgeordnete Werner Herbert, dass die ursprünglich geplante 'Cooling-off-Phase' für Höchstrichterposten und die Ausweitung der Prüfmöglichkeiten des Rechnungshofs auf Unternehmen schon ab einer 25-Prozent-Beteiligung der öffentlichen Hand nicht mehr im Gesetzesentwurf enthalten sind.
Als "Kniefall vor den ÖVP-Bürgermeistern" kritisierte die FPÖ zudem, dass Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner von der proaktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind.
NEOS: "Weit weg von echter Informationsfreiheit"
Die Ausnahme für kleine Gemeinden kritisierten auch die NEOS, weil gerade in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern Bürgerinnen und Bürger Angst vor Nachteilen hätten, wenn sie vom Bürgermeister aktiv Auskünfte verlangen. Insgesamt sah Vize-Klubchef Nikolaus Scherak bei einer Pressekonferenz am Nachmittag wenig Anlass für Euphorie, der Entwurf sei nämlich "weit entfernt von echter Informationsfreiheit". Der versprochene "Paradigmenwechsel" werde auch dadurch verhindert, dass im Gesetzesentwurf kein Informationsfreiheitsbeauftragter vorgesehen ist.
Ohne diesen müssten Bürger, denen eine Auskunft verweigert wird, sofort den Rechtsweg beschreiten, was viele abschrecken würde. Scherak stört sich außerdem an den für ihn zu weit ausgelegten Geheimhaltungsgründen. Durch die Klausel, dass eine Änderung des Gesetzes nur mit Zustimmung der Länder möglich wäre, würden zudem all diese Punkte "einzementiert". Er hoffe deshalb auf weitere Verhandlungen, so der stellvertretende Klubobmann.
SPÖ: "Offen für Gespräche"
Die SPÖ zeigte sich dagegen offen für Gespräche und will den Gesetzesentwurf genau prüfen. Verbesserungsbedarf ortete Verfassungssprecher Jörg Leichtfried allerdings ebenfalls bereits unter anderem bei der Grenze von 5.000 Einwohnern, unter der Gemeinden von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen sind. Kritisch sieht die SPÖ außerdem, dass es damit zu Einschränkungen bei der im Zuge des Parteiengesetzes geschaffenen Veröffentlichungspflicht für alle Behörden und Gemeinden für Studien, Gutachten und Umfragen geben würde.
Zadic: "Die Hartnäckigkeit der Grünen hat sich ausgezahlt"
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zeigte sich ähnlich wie zuvor ihre Regierungskollegen Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) euphorisch über die Einigung. Der Entwurf läute "ein neues Zeitalter der Informationsfreiheit" ein und wirke auch als "Turbo gegen Vetternwirtschaft und Korruption", so Zadic im Kurznachrichtendienst Twitter (heute "X").
Die Hartnäckigkeit der Grünen habe sich ausgezahlt. Gemeinsam mit dem neuen Korruptionsstrafrecht und dem Parteienfinanzierungsgesetz werde damit "ein transparentes Österreich" geschaffen.
https://twitter.com/Alma_Zadic/status/1709859898266173733
Transparency International: Hat "unendlich lange gedauert"
Georg Krakow von Transparency International meinte im Ö1-Radio, das Eigenlob der Regierung sei "etwas zu dick aufgetragen". Denn es habe "unendlich lange" gedauert, bis man es "ins Vorzimmer eines Gesetzes" geschafft habe. Außerdem wäre es laut der NGO besser gewesen, wenn alle Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht umfasst gewesen wären, sagte Krakow.
Bedenken, dass dies für die betroffenen Gemeinden einen zu großen Aufwand bedeuten würde, teilt er nicht. So sei es etwa mit den heutigen technischen Möglichkeiten kein großer Aufwand, eine Studie öffentlich zugänglich zu machen.
Gemeindebund: "Gangbarer Weg"
Der Gemeindebund bezeichnete dagegen die Ausnahme von der proaktiven Informationspflicht für kleinere Gemeinden als "gangbaren Weg", da gerade die kleineren Gemeinden weniger personelle Ressourcen zur Verfügung hätten. Nun sei der Bund gefordert die technischen Möglichkeiten für die Veröffentlichung und Verknüpfung von Daten zur Verfügung zu stellen, forderten Vizepräsidentin Andrea Kaufmann und Vizepräsident Erwin Dirnberger in einer Aussendung.
Städtebund: "Skeptisch"
Der Städtebund zeigte sich "skeptisch" über den Gesetzesentwurf. "Unsere Städte sind selbstverständlich für mehr Transparenz. Ich spreche mich aber gegen mehr Verwaltungsaufwand für die Städte und Gemeinden aus", so Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger.
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bezeichnete es dagegen als "erfreulich", dass "die Bundesregierung ihren Worten nun endlich auch Taten folgen lässt". Die Verfassungsexperten des Landes Kärnten würden den Gesetzesentwurf nun "auf Herz und Nieren sowie auf seine Praxistauglichkeit" prüfen, denn: "Prinzipiell sind wir für ein solches Gesetz, es muss nur praktikabel und administrierbar sein", so Kaiser.
Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) begrüßt den Gesetzesentwurf, sieht aber noch bei zwei relevanten Punkten Klärungsbedarf. Bedenken äußerte VÖZ-Präsident Markus Mair bei der zu langen Verfahrensdauer und bei der geplanten Missbrauchsschranke. Die Missbrauchsschranke könnte - je nach Auslegung - negative Auswirkungen auf Auskunftsbegehren von Journalistinnen und Journalisten im Zuge ihrer Recherchetätigkeiten haben, so die Befürchtung des VÖZ.
Die Industriellenvereinigung (IV) lobte, dass das Informationsfreiheitsgesetz für mehr Transparenz des Staates und der Behörden sorge. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer, kritisierte aber, dass das Gesetz auch nicht hoheitlich tätige Unternehmen, die bereits der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, umfasse. Dies sei für die Industrie nach wie vor nicht nachvollziehbar.
Zusammenfassung
- Der am Donnerstag präsentierte Gesetzesentwurf zur Informationsfreiheit hat gemischte Reaktionen hervorgerufen.
- Die SPÖ zeigte sich dagegen offen für Gespräche und will den Gesetzesentwurf genau prüfen.
- Der Gemeindebund bezeichnete dagegen die Ausnahme von der proaktiven Informationspflicht für kleinere Gemeinden als "gangbaren Weg", da gerade die kleineren Gemeinden weniger personelle Ressourcen zur Verfügung hätten.
- NEOS und FPÖ sehen Verbesserungspotenzial.