Kohlenberger: Brauchen "mehr Wien statt Budapest"

Es gebe keinen Unterschieden zwischen deutscher und österreichischer Migrationspolitik, analysiert Forscherin Judith Kohlenberger. Stattdessen brauche die EU mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten.

"Mehr Wien statt Berlin", wünscht sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder beim Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer am Dienst und lobt damit Österreichs Migrationspolitik.

"Nicht viel Unterschied zwischen Wien und Berlin"

Was er damit genau meint, kann sich Migrationsforscherin Judith Kohlenberger nicht erklären: "Ich sehe nicht so viel Unterschied zwischen Wien und Berlin". Sowohl in Österreich als auch in Deutschland gelte die Rechtsstaatlichkeit.

"Mehr Wien statt Budapest"

"Jeder Mensch, der hier aufgegriffen wird, hat das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren", sagt sie im PULS 24-Interview bei Thomas Mohr. Damit können Schutzgründe auch wirklich angehört werden. "Ich würde eher sagen, wir brauchen mehr Wien statt Budapest."

Damit würde man einen Unterschied erzielen. "Wir wissen, in Ungarn ist das Asylgesetz defacto ausgesetzt", so Kohlenberger.

Gemeinsame Schengen-Regelung gefordert

Wichtig sei es außerdem, einen gemeinsamen Weg in der Schengen-Regelung zu finden. Aktuell finden immer wieder Grenzkontrollen statt, in Österreich vor allem zu Ungarn, der Slowakei und Slowenien. Deutschland kontrolliert auch an der Grenze zu Österreich. Damit werde die Personenfreizügigkeit der EU infrage gestellt.

Die Asylanträge in Österreich sind in diesem Jahr gesunken, gleichzeitig sind aber jene in Deutschland gestiegen. Das lasse sich zum Teil durch die geänderte Visa-Politik Serbiens erklären. Tunesier und Inder dürfen nicht mehr Visa-frei einreisen und somit nicht mehr weiterreisen.

Verlagerung der Fluchtrouten

Ein großer Punkt sei aber auch die Verlagerung der Fluchtrouten, erklärt Kohlenberger. In Österreich gebe es zwar weniger Anträge, aber Länder der Küsten-Route verzeichne mehr Ankünfte. Man schiebe sich diese "vermeintliche Belastung" weiter zu.

Fast 115.000 Menschen sind heuer bereits in Lampedusa angekommen und damit fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum letztes Jahr. Statt über die Balkanroute kommen Menschen viel mehr über den Seeweg nach Europa. Denn die Balkanroute ist aufgrund von Ketten-Pushbacks schwer passierbar, so Kohlenberger. Ähnliches gelte auch für die Land- und Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland.

Daher würde man nun beobachten, dass vermehrt Boote an der türkischen Küste ablegen und "bis nach Lampedusa fahren".

Italien fühlt sich alleine gelassen

"Die italienische Küstenwache hat sich bisher rechtsstaatlicher verhalten als die griechische", sagt Kohlenberger. Dort werden Flüchtlinge bisher weniger zurückgedrängt als in Griechenland. Italien fühle sich in der Migrationsfrage aber zunehmend alleine gelassen.

Es könnte auch sein, "dass Italien einsteigt in den Wettbewerb nach unten". Nicht nur Länder wie Ungarn oder die Polen, sondern auch Griechenland würden die Bedingungen für Asylberechtigte massiv nach unten drücken. Menschen ziehen daher in andere Länder weiter.

Legale Kontingente schaffen

Damit man vor allem in der illegalen Migration Rückgänge sehen würde, müsste man legale Kontingente im großen Stil schaffen, so Kohlenberger. Außerdem müsse man Ernst machen mit einem Verteilungsschlüssel und mehr Möglichkeiten für die Zuwanderung von Arbeitskräften schaffen.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Unterschied zwischen deutscher und österreichischer Migrationspolitik sei nicht wirklich gegeben, sagt Forscherin Judith Kohlenberger.
  • Nach dem Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, analysiert sie die europäische Migrationspolitik
  • Dieser hatte sich am Dienstag "mehr Wien als Berlin" gewünscht.
  • Kohlenberger pocht stattdessen auf mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten.