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Kogler zu Schengen: "Man müsste Ungarn rausschmeißen"

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) stellt das von ÖVP-Regierungsmitgliedern forcierte Veto gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens in Frage.

Die Probleme lägen in Wahrheit bei Ungarn, sagte Kogler in einem zu Weihnachten publizierten Interview mit der "Kleinen Zeitung": "Würden wir bei der Logik des Innenministers bleiben, dann müsste man Ungarn aus Schengen rausschmeißen, weil von dort die meisten nicht registrierten Übertritte nach Österreich stattfinden."

Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) hatten das österreichische Veto gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens mit der steigenden illegalen Migration, auch über die Balkanroute, begründet. Beide Länder hatten aus Sicht der EU-Kommission und des Europaparlaments aber alle Bedingungen für einen Schengen-Beitritt erfüllt.

Kogler will Veränderung

Kogler zeigte gegenüber der "Kleinen" (Sonntagsausgabe) grundsätzlich Verständnis dafür, dass man am System etwas ändern müsse: "Es kann nicht sein, dass wir in Österreich regelkonform mehr als 100.000 Personen registrieren und dabei draufkommen, dass 75.000 bis 80.000 gar nicht vorher registriert worden sind."

Die ebenfalls von ÖVP-Seite geforderten Zäune an den EU-Außengrenzen betrachtet Kogler nicht als Lösung. Darauf angesprochen, dass an Ungarns Südgrenze so ein Zaun existiere, meinte er: "Genau, und daran erkennt man, dass ein Zaun allein nichts hilft. Deshalb arbeiten wir an Lösungen. Und ich glaube, dass uns das gelingen wird. Rumänien und Bulgarien sollten jedenfalls im nächsten Jahr in die Schengenzone aufgenommen werden, so der Vizekanzler: "Das ist das Ziel."

Edtstadler für Unterstützung bei Grenzzaun

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verteidigte indes den Einsatz von Bundeskanzler Nehammer, Bulgarien beim Bau physischer Barrieren an der EU-Außengrenze mit EU-Geldern zu unterstützen. "Es war notwendig, entsprechend laut für andere Staaten und deren Grenzschutz einzutreten, wie etwa Bulgarien, das eine schwierige Grenze zur Türkei hat. Hier ist der Migrationsdruck besonders groß", sagte sie in einem am Stefanitag publizierten APA-Interview.

Die EU-Kommission habe vor wenigen Tagen erklärt, Bulgarien möge sagen, was es brauche. Deshalb sehe sie auch bereits ein Umdenken in der EU-Behörde. "Zäune sind natürlich nur eine von vielen Maßnahmen, die es zu setzen gilt, und die es bereits in elf von 27 Mitgliedstaaten gibt."

Edtstadler will "Fortschritte" in EU-Migrationspolitik

Ein "Ja" Österreichs zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien will Edtstadler mit Fortschritten in der EU-Migrationspolitik verknüpfen. "Die Schengen-Erweiterung ist etwas, was wir in Abstimmung mit den Partnern Bulgarien und Rumänien selbstverständlich weiter besprechen wollen, damit wir das wieder auf die Agenda bringen können, wenn die entsprechenden Schritte in der Migrations- und Asylpolitik gesetzt sind."

Edtstadler verwies darauf, dass im Jänner mit Schweden ein Land den EU-Ratsvorsitz übernehme, "das leidgeprüft und erfahren zugleich ist, was Migration betrifft. Hier erwarte ich mir, dass auch dieses Thema hoch auf der Agenda bleibt, und wir so vielleicht Mitte des Jahres 2023 schon einige konkrete Vorschläge und Lösungen am Tisch haben."

Man werde die Schengen-Entscheidung nicht hinausschieben, bis das gesamte Asylpaket auf EU-Ebene mit zahlreichen Rechtsakten beschlossen sei, da dies einige Zeit dauern werde. "Aber man muss Stück für Stück diese Schritte gehen und einen Plan festlegen. Dann kann man sehr wohl wieder über das Thema Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien sprechen", so die EU-Ministerin.

Auch Edtstadler kritisiert Ungarn

Bereits vor Weihnachten hatte die ÖVP-Politikerin gegenüber der APA aber auch Ungarns Regierung unter dem nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in die Pflicht genommen. Migranten, die über Ungarn in Richtung Österreich kommen, müssten auch von Ungarn registriert werden. "Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass alle Staaten geltendes EU-Recht einhalten müssen, auch die Ungarn."

Der seit mehr als 30 Jahren in Rumänien karitativ tätige Jesuiten-Pater Georg Sporschill bewertet das Veto der ÖVP-Grünen-Bundesregierung gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens hingegen als "innenpolitischen Schachzug, der den Rumänen Unrecht tut". In einem Interview mit der "Kronen-Zeitung" (Sonntagsausgabe) sagte Sporschill: "So haben es meine rumänischen Freunde verstanden. Sie lieben Österreich und haben das Veto als Rücksichtslosigkeit wahrgenommen, die keinem hilft."

Der 1946 in Feldkirch (Vorarlberg) geborene Sporschill hatte 1991 die österreichische Hilfsorganisation "Concordia Sozialprojekte" gegründet, die heuer mit dem Friedenspreis der weltweiten katholischen Friedensbewegung "Pax Christi International" ausgezeichnet wurde. "Concordia" betreibt zahlreiche Karitativprojekte in Rumänien, Bulgarien, im Kosovo und der Republik Moldau.

Geladene Stimmung zwischen Österreich und Rumänien

Bukarest hatte auf Österreichs Veto verstimmt reagiert und einen Botschafter aus Wien abgezogen. Für den 9. Februar ist ein EU-Sondergipfel zu dem Thema geplant. Ein Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien ist für Nehammer bis dahin aber "nicht realistisch".

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte in einem zum Jahresende geführten APA-Interview in diesem Zusammenhang erklärt, Österreich sei durch das umstrittene Veto innerhalb der EU "nicht isoliert". Er stehe voll hinter der Entscheidung: "Das ist ein ganz normaler Diskussionsprozess." Wenn Österreich als ein Staat "inmitten des Kontinents" die höchsten Asylantragszahlen in Europa habe, "dann läuft was falsch".

Medienberichte, wonach das Thema von ÖVP-Politikern aus innenpolitischen Gründen aufs Tapet gebracht worden sei, bezeichnete Schallenberg als "völligen Schwachsinn". Es sei kurzsichtig zu glauben, "wir würden einen Profit daraus ziehen, dass wir plötzlich auf die hohe Anzahl an Asylanträgen in Österreich zeigen."

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien ist für Nehammer bis dahin aber "nicht realistisch".