Karmasin-Festnahme: Es geht um Untreue, Geldwäsche und Preisabsprachen
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat am Mittwoch die Meinungsforscherin und ehemalige ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin festnehmen lassen. Der Grund: Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr, wie am Donnerstag bekannt wurde. "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk veröffentlichte Teile der Festnahmeanordnung als erstes auf Twitter.
In der 44-seitigen Festnahmeanordnung, die PULS 24 vorliegt, zeichnen die Korruptionsermittler erstmals genau nach, wie die Abrechnung von manipulierten Umfragen für die ÖVP über öffentliche Mittel des Finanzministeriums funktionierte. Auch geht daraus hervor, dass Karmasins Rolle aus Sicht der Staatsanwälte dabei wohl größer war als bisher angenommen.
Wie das "Beinschab-Tool" organisiert war
In der Festnahmeanordnung wird Karmasin unter Verweis auf "bisherige Beweisergebnisse" als "Urheberin und maßgebliche Ideengeberin hinsichtlich der 'Entwicklung' des 'Beinschab-Österreich-Tools'" bezeichnet. Als "Beinschab-Tool" bezeichneten ÖVP-Funktionäre das System, manipulierte Umfragen beim Meinungsforschungsinstitut "Research Affairs" von Sabine Beinschab gegen öffentliche Inserate in Medien der Verlagsgruppe "Österreich" zu platzieren.
Weil Karmasin darüber wusste, dass öffentliche Gelder des Finanzministeriums zum Nutzen der ÖVP und Sebastian Kurz zweckentfremdet werden, wird gegen sie auch wegen Geldwäsche ermittelt.
Ex-Kanzler Sebastian Kurz soll demnach dem damals im Ministerium tätigen Thomas Schmid mit der "Organisation und den Verhandlungen" mit Beinschab und den Gebrüdern Fellner der Zeitung "Österreich" betraut haben. Kurz soll laut Ansicht der WKStA auch Karmasin "zur Teilnahme an den Tathandlungen überredet" haben. Die weiteren Beschuldigten (Ex-Kanzlerberater) Stefan Steiner, (Ex-Mediensprecher) Gerald Fleischmann und (Ex-Pressesprecher) Johannes Frischmann sollen die Fragen für die Umfragen erarbeitet haben.
Alle Genannten haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Beinschab belastet Karmasin schwer
Die Meinungsforscherin und frühere Mitarbeiterin Karmasins, Sabine Beinschab, wurde im Zuge der ÖVP-Ermittlungen selbst wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen. Sie hat bei ihrer Einvernahme ein umfangreiches Geständnis abgelegt, um Kronzeuginnen-Status zu erhalten. Dabei hat sie andere Beteiligte - vor allem Karmasin - schwer belastet.
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Neue Vorwürfe gegen Karmasin
Darüber hinaus habe Karmasin laut Anordnung auch eine wesentliche Rolle bei "neu hervorgekommenen Preisabsprachen" gespielt. Karmasins strafbare Handlungen hätten sich demnach "nach der dringenden Verdachtslage über mehr als fünf Jahre" erstreckt, sie sei "federführend" daran beteiligt gewesen und hätte "mit unterschiedlichen kreativen Umgehungsvereinbarungen und Verschleierungsgeschäften zum eigenen Vorteil und zum Nachteil vor allem der Republik Österreich Straftaten mit einem demokratiepolitisch immensen und auch vermögensrechtlich erheblichen Unrechtswert" begangen.
Für die WKStA war die Festnahme der Ex-Ministerin unter anderem deshalb erforderlich, weil die Behörde befürchtet, Karmasin könnte ansonsten "versuchen, Mitbeschuldigte und Zeugen zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren", wird in der Festnahmeanordnung betont.
Absprachen über Ministeriumsaufträge
Denn Karmasin - und das war bisher nicht bekannt - soll losgelöst von der ÖVP-Inseraten-Affäre noch bis Mitte 2021 wettbewerbsbeschränkende und damit rechtswidrige Absprachen in mehreren Vergabeverfahren inszeniert haben. Damit wollte sie der Verdachtslage zufolge für ihr Institut den Zuschlag für drei vom Sportministerium ausgeschriebene Studien zu den Themen "Motivanalyse Bewegung und Sport", "Frauen im Vereinssport" und "Kinder und Jugendliche im Vereinssport bzw. "Rück- und Neugewinnung von Vereinsmitgliedern für Sportvereine" bekommen.
Zwischen Mai 2019 und Mitte 2021 soll sie sich dabei vor allem wieder Sabine Beinschabs bedient haben, indem sie sie aufforderte, von ihr inhaltlich vorgegebene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass sie selbst die Aufträge bekommen würde, heißt es in der Festnahmeanordnung.
Auch für Karmasin gilt die Unschuldsvermutung.
Zusammenfassung
- Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wurde am Mittwoch festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert. In der Festnahmeanordnung ist erstmals detailliert dargelegt, wie das "Beinschab-Tool" funktionierte und welche Rolle Ex-Kanzler Sebastian Kurz spielte.