Drei gegen Brüssel: Nehammer mit Vučić und Orbán gegen das Asylsystem
Gemeinsam mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán unterzeichnete Nehammer ein "Memorandum of Understanding", das die Kooperation der drei Länder verstärken soll. Ziel sei der Kampf gegen illegale Migration, Terrorismus und die organisierte Kriminalität. Außerdem sei die klare Trennung in Asyl und Migration notwendig. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, sollten anders als Schutzsuchende behandelt werden, betonte Nehammer.
Für Orban "Frage des Überlebens"
Ins selbe Horn stieß auch Orbán, der meinte, dass "Migration nicht gemanagt, sondern verhindert werden soll". "Wir teilen unser Schicksal mit Serbien", die Zusammenarbeit sei essenziell, denn es handle sich um eine "Frage des Überlebens". Alleine heuer seien 250.000 illegale Grenzübertritte an der serbisch-ungarischen Grenze verhindert worden, zudem werde die Situation "immer schwieriger und aggressiver".
Migration als Straftat
So wie Vučić will auch Orban, der sein Land von "zwei Seiten bedroht" sah, die gemeinsame "Verteidigungslinie" nach Süden, also an die nordmazedonisch-serbische Grenze, verlegen. Illegale Migration müsse als Straftat gesehen werden, so Orbán, die bekämpft werden müsse. Denn "wenn sie wissen, dass sie (die Migranten, Anm.) gestoppt werden, werden sie es auch nicht versuchen". Für Orbán hängt wie auch für Vučić die Sicherheit Europas von Belgrad ab, denn wenn Serbien seine Grenzen verteidige, verteidige es auch die Grenzen der EU. "Wir können sie nicht mit Plüschtieren und Blumen an der Grenze empfangen", erklärte der ungarische Ministerpräsident weiter.
Nehammer und Orban bauen an "Festung Europa"
Vučić sprach davon, dass die illegale Migration aus Nordmazedonien und dem EU-Land Bulgarien 2022 im Jahresvergleich um 191 Prozent angewachsen sei. Menschen ohne Chance auf Asyl müssten abgeschoben werden. Die Kosten dafür sollten fair zwischen den drei Ländern aufgeteilt werden.
Nehammer bedankte sich bei Vučić, dass Österreichs Sorgen ernst genommen worden seien und der "Asyltourismus" aus Indien, Tunesien und anderen Staaten beendet worden sei. Allein aus Tunesien sollen heuer knapp 11.500 Migranten nach Österreich gekommen sein. Aus Indien sollen es rund 15.000 Menschen gewesen sein. Seit dem letzten Treffen der drei Staatschefs Anfang Oktober in Budapest arbeitete Serbien an der damals zugesagten Abschaffung der visafreien Einreise und an der Schließung der Luftbrücke.
Visapflicht für Burundi wenig hilfreich
Für Burundi wurde die Aufhebung der visafreien Einreise von Belgrad bereits kundgemacht und ist wirksam. Migration nach Österreich findet aus diesem Land jedoch relativ wenig statt. Die Aufhebung für Tunesien wird gerade abgeschlossen und tritt mit 20. November in Kraft. An der Umsetzung der Abschaffung der visafreien Einreise von Indien arbeitet Belgrad gerade - diese soll Anfang 2023 in Kraft treten. Durch ein Schließen der Luftbrücke wird in Wien damit gerechnet, dass die Asylanträge um rund 40 Prozent zurückgehen würden. Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan kommen vorzugsweise über die Türkei auf dem Landweg nach Europa.
Ist die europäische Asylpolitik gescheitert?
Der Kanzler erinnerte daran, dass bereits zu seiner Zeit als Innenminister die Plattform gegen illegale Migration (JCP) gegründet worden sei. Pilotprojekt war ein Rückkehrplan mit Bosnien, mit österreichischer Unterstützung fanden erste Rückführungen nach Marokko und Pakistan statt. Ziel sei es, mit Abschiebungen vor den Toren der EU ein Signal an die Herkunftsländer zu senden. Deswegen sei auch mit Serbien ein Rückkehrplan für Migranten geplant. Dazu sollen Rückführungsspezialisten ausgebildet und bei der Organisation von Rückkehrflügen zusammengearbeitet werden. Zudem soll es Informationskampagnen zur freiwilligen Rückkehr geben. Geplant sei auch, dass Wien hundert Beamte - derzeit sind es acht - an die serbisch-nordmazedonische Grenze schickt und es Unterstützung mit technischem Gerät gibt.
Schlepper-Taskforce
In Ungarn wurde seit dem Treffen Anfang Oktober die polizeiliche Unterstützung auf 70 Beamte ausgebaut. Außerdem wurde Budapest bei der Ausbildung von Grenzpolizisten unterstützt und es wurde von den drei Ländern eine gemeinsame Taskforce zur Bekämpfung der Schlepperei eingerichtet.
Migrationsgipfel: Schluss mit "Asyl à la carte"
"Österreich zählt zu den am meist belasteten Ländern", betonte Nehammer, der hinzufügte, dass allein heuer bereits 96.000 Asylanträge gestellt worden seien. Bis Jahresende werde mit mehr als 100.000 Anträgen gerechnet, fuhr Nehammer fort. Es solle keine "Diskussionsverbote" über die EU-Aufnahmerichtlinien geben, denn diese "legen dem Staat Ketten an".
Drei gegen Brüssel
Außerdem solle durch die Initiative Serbiens, Österreichs und Ungarns ein "starkes Signal" nach Brüssel gesendet werden. So wie auch Orbán sprach sich Nehammer für eine baldige Heranführung Serbiens an die Europäische Union aus. Vučić betonte, beim nächsten Treffen Ende des Jahres in Wien weitere Fortschritte präsentieren zu wollen.
Nehammer ergänzte, dass Hilfe vor Ort sinnvoller und billiger sei als aufwendige Asylverfahren und die Aufnahme in Österreich. Angesprochen auf Gewaltbilder an der serbisch-ungarischen Grenze meinte der Kanzler, dass "gewaltbereite Migranten keinen Platz" hätten und diese sofort abgeschoben werden müssten.
Bereits am Vormittag sagte Nehammer nach dem Ministerrat, dass die von seinem ÖVP-Parteikollegen August Wöginger angestoßene Debatte um die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) "viel breiter" zu sehen sei. Das europäische Asylsystem sei gescheitert, der EU-Außengrenzschutz funktioniere nicht, da Österreich als Binnenland mehr als 90.000 Asylanträge jährlich habe, was viel zu viel sei, meinte der Kanzler. Wöginger hatte eine Überarbeitung der EMRK gefordert. Unterstützung dafür bekam er von den meisten Länderchefs. Auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht Handlungsbedarf, habe doch deren "exzessive Auslegung" in der Rechtssprechung im europäischen Asylsystem zu teils "absurden Situationen" geführt. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) reagierte ebenso ablehnend wie der Grüne Koalitionspartner. Scharfe Kritik kam auch vom Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP).
Zusammenfassung
- In Belgrad wollten die Regierungschefs von Serbien, Österreich und Ungarn eine starke Achse im Kampf gegen illegale Migration bilden und gemeinsam den Grenzschutz stärken.
- Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kritisierte das Asylsystem der EU als "gescheitert".
- Man müsse "Asyl à la Carte" beenden und den "Asyltourismus" stoppen.