505 Tage in Geiselhaft

Ex-Kanzler Nehammer: "Befreiung von Tal Shoham ein Wunder"

Vor 55 Minuten · Lesedauer 5 min

505 Tage lang befand sich der Israeli-Österreicher Tal Shoham in Geiselhaft der Hamas. Bei PULS 24 spricht der ehemalige Bundeskanzler Karl Nehammer über die Bemühungen der Bundesregierung, Tal Shoham zu befreien.

Die Freilassung von Tal Shoham sei unglaublich und "nach wie vor ein Wunder", betont Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer in seinem ersten Interview seit seinem Rückzug aus der Politik. Nehammer befand sich während seiner Amtszeit in ständigem Austausch mit der Familie des Israeli-Österreichers und kämpfte für dessen Freilassung.

Im Gespräch mit Corinna Milborn berichtet er von seinem ersten Telefonat mit Shoham nach dessen Freilassung: "Seine kraftvolle Stimme zu hören - nach all dem, was er, seine Frau und seine Kinder mitgemacht haben, die auch in Geiselhaft waren - ist einfach beeindruckend und überwältigend." Mit einem Lächeln fügt er hinzu, dass er den Moment der Freilassung nie vergessen werde. 


Bereits unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas am  7. Oktober 2023 reiste Nehammer nach Israel, wo er in Gesprächen mit Opfern des Angriffs "dramatische Eindrücke" mitgenommen habe. Bei seinem Besuch wurde er schließlich auch damit konfrontiert, dass es eine österreichisch-israelische Geisel gebe.

Da Tal Shohams Frau und die beiden Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, habe sich die Regierung gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland abgestimmt, wie man den Geiseln bestmöglich helfen könne. Nehammer erklärt, dass so "ein enges Netzwerk" gebildet wurde. Nur dank dieser Teamarbeit sei eine Befreiung Shohams auch tatsächlich möglich geworden.

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"Hamas macht ihr übles Geschäft auch mit Toten"

Nehammer erklärt, dass die Verhandlungen zur Freilassung des Israeli-Österreichers hinter vielen verschlossenen Türen abgelaufen seien: "Das ist deshalb notwendig, weil die einzelnen Partner, die man zur Verfügung hat, ganz verwinkelte Kontakte zur Terrororganisation haben", so Nehammer.

Die drängendste Frage bei den Verhandlungen sei immer gewesen, ob Tal Shoham noch lebe oder nicht. Diese sei jedoch immer schwer zu beantworten gewesen, "denn die Hamas macht ihr übles Geschäft sowohl mit Lebenden als auch mit Toten", betont der Ex-Kanzler.


"Wann wussten Sie, dass Tal Shoham lebt?", fragt Corinna Milborn. Der Ex-Kanzler erklärt, dass dies "eine sehr sensible Frage gewesen" sei.

Es habe von vornherein immer Hinweise darauf gegeben, allerdings seien diese zumeist nur von einer Quelle gekommen. Obwohl es dafür keine zweite Bestätigung gegeben habe, habe man "das gute Gefühl gehabt, es ist tatsächlich die Chance da, dass er wirklich lebt".

Die schlimmste Phase sei hingegen gewesen, "wenn ganz lange nichts hörbar war". Nehammer verweist darauf, dass die Hamas "zu allem bereits ist". Daher habe man nie gewusst, wie lange eine Information überhaupt gültig bleibt. "Denn die Hamas hat ein perfides System aufgezogen. Sie setzt die Geiseln und die Angehörigen unter Druck", so der Ex-Kanzler. Für die Familien sei es erdrückend, nicht zu wissen, ob die Angehörigen noch leben. 

"Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut"

Bereits bei seinem Besuch in Israel lernte Nehammer Tal Shohams Vater kennen. Während der 505 Tage der Geiselhaft habe er "die Verbindung niemals abreißen lassen", betont der Ex-Kanzler. Die Begegnungen mit Shohams Vater seien "immer sehr berührend" gewesen.

"Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut", so Nehammer. Als Vater habe ihn sehr berührt, zu spüren, wie sich dieser für seinen Sohn einsetzt und diesen vermisst.

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Nachdem Shohams Frau und Kinder freigelassen wurden, lud die Bundesregierung diese auch nach Österreich ein. Die Bundesregierung habe der Familie des Israeli-Österreichers verdeutlichen wollen, "dass auch sie Österreich als ihre Heimat begreifen sollen".

Nehammer betont, dass die Traumatisierung für die Kinder auch nach ihrer Freilassung nicht aufgehört habe, da Israel weiterhin unter dem Beschuss aus dem Gazastreifen und dem Libanon stand: "Die Geiselhaft war zu Ende und dann war es schon wieder notwendig, in die Luftschutzkeller zu gehen."

Die Regierung habe der Familie in Österreich eine entspanntere und "nicht vom Leben bedrohte Zeit" ermöglichen wollen. Nehammer selbst habe dabei versucht, der Familie aufmerksam zuzuhören. Die Mutter habe ihm etwa berichtet, wie traumatisiert ihre Kinder tatsächlich waren.

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Diese haben etwa auch nach ihrer Freilassung immer nur leise gesprochen, "weil die Terroristen immer darauf hingewiesen haben, dass lautes Sprechen verboten und ihren Anweisungen unmittelbar Folge zu leisten ist", berichtet der Ex-Kanzler von seinem Gespräch. 

Tag der Freilassung für Nehammer "höchst emotional"

Nehammer betont, dass die Gespräche mit der Familie "immer auch in meinem Herzen bleiben werden" und auch den Tag der Freilassung Shohams habe er "höchst emotional" empfunden: "Man bleibt bis zum Schluss angespannt, ob es wirklich passiert oder nicht." Erst als er den Israeli-Österreicher tatsächlich gesehen hatte, habe er gewusst, dass dieser nun tatsächlich freikommen werde. Sein gesamtes Team sei "zutiefst bewegt und gerührt" gewesen. 


Der Ex-Kanzler betont die Notwendigkeit, alle diplomatischen Kontakte zu nutzen, um die Freilassung der übrigen Geiseln in Gaza zu erreichen. Gleichzeitig müsse aber auch die humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza fortgesetzt und an einem nachhaltigen Frieden gearbeitet werden.

Dies werde kein leichtes Unterfangen sein, da der Konflikt nicht nur zu hohen Opferzahlen, sondern auch zu einer zunehmenden Spirale der Gewalt geführt hat.

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Zusammenfassung
  • 505 Tage lang befand sich der Israeli-Österreicher Tal Shoham in Geiselhaft der Hamas.
  • ei PULS 24 spricht der ehemalige Bundeskanzler Karl Nehammer über die Bemühungen der Bundesregierung, Tal Shoham zu befreien.