Karl Nehammer: Der Soldat an der Spitze
Karl Nehammer wurde 1972 quasi schon als ÖVPler geboren. Wie Sebastian Kurz wuchs auch er in Wien-Meidling auf. Im bürgerlichen Elternhaus sollen ehemalige ÖVP-Größen wie Alois Mock, Leopold Figl oder Julius Raab gern gesehene Gäste gewesen sein. Mock war es auch, der Nehammer in die Politik einsteigen ließ - mit 14 Jahren verteilte Nehammer Flyer für dessen Wahlkampf.
Nach der Matura entschied sich der jetzige Innenminister dann aber zunächst für eine Karriere als Soldat. Er verpflichtete sich ein Jahr freiwillig und wurde schließlich Berufssoldat. Bis 1996 blieb er in der Landesverteidigung und wurde 1997 als Leutnant ausgemustert.
Strategische Kommunikation
Dem Heer blieb der heute 49-Jährige dennoch treu: Er wurde Trainer für strategische Kommunikation und bot diese Dienste auch dem Verteidigungsministerium an. 2007 landete er erstmals in der ÖVP-Zentrale, wo er damals beim Aufbau der Freiwilligen-Mobilisierung half. Hier startete Nehammer seine politische Karriere. Er war für die politische Akademie der ÖVP tätig und landete schließlich bei der ÖVP Niederösterreich als "Abteilungsleiter Kommunal". Er beriet also Bürgermeister und Gemeindeparteien. Nebenbei absolvierte er 2012 einen Master-Lehrgang in politischer Kommunikation beim Politologen Peter Filzmaier an der Donau Uni Krems.
Vom ÖAAB ins Innenministerium
August Wöginger, der nun wieder Klubobmann der ÖVP wird, holte Nehammer schließlich von Niederösterreich nach Wien zurück. Nehammer wurde 2015 Generalsekretär-Stellvertreter des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB). Ab 2016 war er Generalsekretär. Im geleichen Jahr sprang er spontan als Wahlkampmanager von Andreas Kohl ein - eine Niederlage für Nehammer, denn Kohl schied im Bundespräsidentenwahlkampf mit nur 11 Prozent aus.
Bei der ersten Nationalratswahl mit Sebastian Kurz an der Spitze der ÖVP trat Nehammer für den Landeswahlkreis Wien an und zog ins Parlament ein. Er wurde Klubobmann-Stellvertreter und verhandelte mit der FPÖ die Landesverteidigung aus, im Parlamentsklub fungierte er als Mediensprecher. 2018 wurde er schließlich ÖVP-Generalsekretär und löste Efgani Dönmez als Integrations- und Migrationssprecher ab.
Harter Migrationskurs
Das Thema Migration besetzt Nehammer seither. Bei den Koalitionsverhandlungen 2019 verhandelte er die Themen Europa, Migration und Sicherheit. Seit 7. Jänner 2020 ist er selbst Innenminister - ein Amt, das er wohl seiner Treue gegenüber Sebastian Kurz und der ÖVP Niederösterreich zu verdanken hat. In Polizeikreisen war man darüber nach den Jahren unter Herbert Kickl (FPÖ) erleichtert.
Nehammer wurde als Innenminister vor allem für seine harte Linie in der Migrationspolitik bekannt. Er ist dagegen, Kinder und Familien aus dem Flüchtlingslager Moria zu holen und ließ Proteste gegen Abschiebungen von Kindern von der Polizei auflösen. Auch in der Corona-Pandemie fiel ihm die Rolle des scharfen Leutnants zu: "Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infektionskette rasch zu durchbrechen", ist eines seiner bekanntesten Zitate. Für feiernde Jugendliche und Lockdown-Brecher zeigte er wenig Verständnis.
"Falter"-Journalistin Barbara Toth hält Nehammer für den einzigen ÖVP-Minister mit einer eigenständigen Persönlichkeit.
Verbindliche Worte und Schuldzuweisungen
Nach dem Anschlag in Wien am 2. November 2020 schaffte es Nehammer erst, auch andere Töne einzuschlagen. Er sprach vom Zusammenhalt der Gesellschaft, vom Kampf gegen Antisemitismus und von demokratischen Werten. Sobald aber die erste Kritik aufkam, die ihm unterstellten Behörden hätten im Vorfeld des Anschlags gravierende Fehler gemacht, den Anschlag vielleicht sogar verhindern können, sah er die Schuld im grünen Justizministerium und bei seinem Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ).
Den Spagat zwischen Härte und Verbindlichen Worten wird Nehammer als Kanzler noch trainieren müssen - als Kommunikationsprofi dürfte das aber gelingen. Auch Vizekanzler Werner (Grüne) sprach am Donnerstag schon davon ein gutes Verhältnis zu Nehammer zu haben.
Zusammenfassung
- Sebastian Kurz zog sich aus der Politik zurück, Alexander Schallenberg gibt nach nur wenigen Tagen das Kanzleramt ab. Karl Nehammer folgt als ÖVP-Chef und designierter Bundeskanzler. Wer ist der neue Mann an der Regierungsspitze?