QAnon-Schamane will nach Begnadigung Waffen kaufen
Donald Trumps rigorose Total-Begnadigung von allen aberhunderten Straftätern vom 6. Jänner 2021 überraschte selbst Leute aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten reagierten empört und höchst alarmiert.
Trump beweist einmal mehr, dass er keinen Tabubruch scheut. Die Begnadigungen zeigen aber auch, wie lädiert das amerikanische Justizsystem ist - und wie gefährdet die amerikanische Demokratie.
Sogar die Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen - die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen "Oath Keepers" und "Proud Boys", Stewart Rhodes und Henry "Enrique" Tarrio - kamen frei.
Rhodes und Tarrio orchestrierten ihre Leute, die teils in voller Kampfausrüstung am Kapitol erschienen, aus dem Hintergrund. Sowohl Rhodes als auch Tarrio wurden unter anderem wegen "aufrührerischer Verschwörung" schuldig gesprochen. Rhodes bekam 18 Jahre Haft, Tarrio sogar 22 Jahre.
Die Lüge der gestohlenen Wahl
Ihnen war vorgeworfen worden, ein Komplott geschmiedet zu haben - mit dem Ziel, den Machtwechsel nach der Präsidentenwahl 2020 mit Gewalt zu verhindern. Nun sind sie freie Männer. Trump hatte seine Unterstützer zuvor in einer Rede und über Wochen zuvor mit unbelegten Behauptungen angestachelt, ihm sei der Wahlsieg durch Betrug gestohlen worden. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.
- Mehr lesen: Trumps Dekret-Lawine
Trump hatte von Anfang an versprochen, verurteilte Anhänger von damals zu begnadigen. Er betonte aber mehrfach, er wolle sich jeden Einzelfall anschauen. Sein Vizepräsident J.D. Vance sagte noch wenige Tage vor der Amtseinführung in einem Fernsehinterview: "Wer an dem Tag Gewalt begangen hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden." Sein Chef sah das offenkundig anders und ordnete an, alle freizulassen - egal ob Gewalttäter oder nicht.
Manche der Randalierer wurden für kleinere Straftatbestände angeklagt - etwa dafür, dass sie unrechtmäßig in das Kapitol eindrangen, sich Polizisten widersetzten, Scheiben einschlugen, Gegenstände im Gebäude zerstörten oder stahlen. Andere wurden wegen schwerer Straftaten verurteilt, etwa weil sie mit Stöcken, Metallstangen oder Fäusten Polizisten niederprügelten oder von langer Hand die Attacke zur Sabotage des Machtwechsels geplant hatten.
QAnson-Schamane will Waffen kaufen
An Gefängnissen in verschiedenen Städten in den USA wurden Häftlinge vom 6. Jänner von Angehörigen, Freunden und Unterstützern in Empfang genommen und gefeiert. Begnadigt wurde wohl auch der als QAnon-Schamane berühmt gewordene Verschwörungsgläubige Jake Angeli, der aber schon länger wieder auf freiem Fuß war. Auf "X" gab er bekannt, dass er sich nun Waffen kaufen wolle.
https://twitter.com/AmericaShaman/status/1881522212009840989
Ebenfalls begnadigt wurde wohl Keith Packer, jener Mann, der beim Kapitol in einem "Camp Auschwitz"-T-Shirt aufgetaucht war - darunter stand die Nazi-Parole "Arbeit macht frei" geschrieben.
https://twitter.com/harryjsisson/status/1881531799098278038
Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Jänner 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagte dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit und die seiner Kinder.
Zweifel am System
Trumps Entscheidung wirft aber auch die Frage auf, wie es um Amerikas Justizsystem bestellt ist. Ein US-Präsident hat zwar per Verfassung die Befugnis, die Strafen von Tätern, die nach Bundesrecht verurteilt wurden, zu verkürzen oder Verurteilte ganz zu begnadigen - auch nachträglich, also nach dem Verbüßen einer Strafe.
Dass Trump diese Befugnis aber nutzt, um Gewalttäter freizulassen, die amerikanische Polizeibeamte verletzt haben und die - angeheizt durch ihn selbst - versuchten, den friedlichen und demokratischen Machtwechsel in den USA zu stoppen, ist beispiellos. Nachfragen dazu weicht Trump aus und gibt sich ahnungslos, wer genau begnadigt worden sei. Und: Er zeigt auf seinen Amtsvorgänger Biden.
- Mehr lesen: Trump-Angelobung - Elon Musk zeigt Hitlergruß
Der hatte kurz vor Schluss seiner Amtszeit seinen Sohn, seine Geschwister und deren Ehepartner präventiv begnadigt, ebenso demokratische Abgeordnete und ehemalige Regierungsleute - um den Sohn vor einer Haftstrafe und alle anderen vor möglicher Strafverfolgung durch Trumps Regierung zu schützen.
Das System ist per se sehr politisiert. Präsidenten wählen Richter für Bundesgerichte und den Supreme Court aus und liefern sich einen Wettlauf, wer mehr Nominierungen in einer Amtszeit schafft, weil es für die Durchsetzung ihrer Politik sehr hilfreich ist, auf wohlgesonnene Richter zu treffen, wenn ihre Entscheidungen juristisch angefochten werden. Dabei bräuchten die USA gerade jetzt mehr denn je ein Justizsystem, das über jeden Zweifel erhaben ist.
Erster Trump-Tag: Lawine an Dekreten erlassen
Zusammenfassung
- Zunächst hatte Donald Trump noch gemeint, er wolle sich jeden Einzelfall ansehen. Selbst Republikaner meinten, jene Kapitol-Stürmer, die Gewalt ausgeübt hätten, sollten nicht begnadigt werden.
- Kaum angelobt, verließen auch jene mit hohen Haftstrafen unter Jubel die Gefängnisse.
- Der wohl berühmteste Kapitol-Stürmer, QAnon-Schamane Jake Angeli, will sich sofort Waffen kaufen.
- Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Jänner 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagte dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit.
- Trumps Entscheidung wirft aber auch die Frage auf, wie es um Amerikas Justizsystem bestellt ist.