Ischgl wird Fall für Nationalrat, möglicherweise U-Ausschuss

Das politische Versagen beim Coronavirus-Ausbruch in Ischgl wird Thema einer dringlichen Anfrage der NEOS im Nationalrat. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner stellt zudem die Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses in den Raum.

Das am Montag von der zuständigen Expertenkommission fesgestellte Mismanagement des Coronavirus-Ausbruches durch die Behörden in Ischgl wird über die Tiroler Landesgrenzen hinaus auch den Nationalrat beschäftigen. Die NEOS werden Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am morgigen Mittwoch für eine Dringliche Anfrage ins Hohe Haus zitieren, kündigte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz am Dienstag an. Den Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) hält sie für rücktrittsreif.

 

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner geht sogar noch weiter und stellt die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in den Raum. Man werde den vorliegenden Bericht nun prüfen und mit den anderen Fraktionen Kontakt aufnehmen, sagte sie am Dienstag in einer Pressekonferenz.

U-Ausschuss nur mit Parlamentsmehrheit

Die SPÖ allein verfügt für ein solches Verlangen allerdings nicht über genügend Abgeordnete im Nationalrat. Außerdem können nicht gleichzeitig zwei von der Opposition in die Wege geleitete U-Ausschüsse tagen - jener zum Ibiza-Video und dessen Folgen läuft schließlich noch. Zumindest theoretisch möglich wäre aber ein von einer Mehrheit beantragter Ischgl-U-Ausschuss.

Der Nationalrat kann nämlich entweder auf Antrag von fünf Abgeordneten mit Mehr­heits­beschluss einen Untersuchungsausschuss einsetzen oder ein Viertel der Abgeordneten (46 von insgesamt 183 Abgeordneten) die Einsetzung verlangen.

NEOS-Obfrau Meinl-Reisinger sprach sich am Dienstag allerdings nicht für einen U-Ausschuss aus. Sie wolle vielmehr das Mandat der Untersuchungskommission erweitern, denn diese habe gut gearbeitet. Irgendwann werde man freilich auch eine parlamentarische Aufklärung des gesamten Corona-Managements brauchen, wenn auch weniger in einem U-Ausschuss sondern vielleicht in Form einer Enquete, meinte sie.

Kritik an Krisen-Kommunikation von Kanzler Kurz

Die Kommission hatte am Montag "Fehleinschätzungen" der Tiroler Behörden konstatiert, aber auch die Kommunikation des Bundes kritisiert. Sie ließ kein gutes Haar an der Vorgehensweise von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am 13. März um 14.00 Uhr eine Pressekonferenz hielt, in der er verkündete, dass das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt werden. Dies sei "überraschend, ohne unmittelbare Zuständigkeit und ohne substanzielle Vorbereitung" geschehen, so die Kritik.

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Kurz verteidigt sich

Der Bundeskanzler hat am Dienstag betont, dass immer alle Entscheidungen zwischen den Gesundheitsbehörden und der Bundesregierung abgestimmt gewesen seien. Und "natürlich haben wir als Bundesregierung die Verantwortung gehabt, diese Entscheidungen transparent zu kommunizieren", sagte Kurz am Dienstag in einer Pressekonferenz in Linz.

Im vergangenen halben Jahr habe "in Summe eine Ausnahmesituation" geherrscht - "für alle, für die Gemeinden, die Länder, die Bundesregierung", so Kurz. Es hätten schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, das habe "im Großen und Ganzen gut funktioniert". Entscheidungen "waren immer abgestimmt zwischen den Gesundheitsbehörden und der Regierung aber auch mit den Bundesländern und so war es auch mit den Entscheidungen in Tirol".

ribbon Zusammenfassung
  • Das politische Versagen beim Coronavirus-Ausbruch in Ischgl wird Thema einer Dringlichen Anfrage der NEOS an den grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Nationalrat.
  • SPÖ-Chefin Rendi-Wagner stellt zudem die Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses in den Raum.
  • Sollte ein U-Ausschuss beschlossen werden, kann dieser erst starten, wenn der Ibiza-U-Ausschuss beendet ist - da nicht zwei Ausschüsse parallel abgehalten werden dürfen.
  • Die Expertenkommission kritisierte besonders die Krisen-Kommunikation von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz.
  • Der verteidigte sich am Dienstag: Alle Maßnahmen seien immer mit den Gesundheitsbehörden abgestimmt gewesen.