Hohe Zustimmung zur neuen russischen Verfassung
Bei einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Abstimmung haben die Russen die neue Verfassung für einen Machterhalt von Kremlchef Wladimir Putin wohl klar angenommen. Rund 76 Prozent der Berechtigten stimmten nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmzettel nach Angaben der Wahlkommission vom Mittwoch für das neue Grundgesetz. Knapp 23 Prozent lehnten demnach die Verfassung ab.
Die geplante Reform sieht eine Stärkung des Präsidentenamts vor - und würde es Putin ermöglichen, bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 erneut zu kandidieren. Bisher ermöglicht die russische Gesetzgebung dem Staatsoberhaupt nur zwei Amtszeiten in Folge. Mit Inkrafttreten der neuen Verfassung würden Putins bisherige Amtszeiten jedoch nicht mehr gezählt. Er könnte somit bis 2036 im Amt bleiben, dann wäre er 84.
Erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht, als der Urnengang noch nicht in allen Teilen des Landes beendet war. Die Wahlbeteiligung wurde mit knapp 65 Prozent angegeben. Insgesamt waren im flächenmäßig größten Land der Erde mit elf Zeitzonen 110,5 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die letzten Wahllokale schlossen am Abend um 20.00 Uhr MESZ in der Ostseeexklave Kaliningrad.
Dieser Trend eines Sieges für den Kreml deckte sich mit Nachwahlbefragungen des staatlichen Wziom-Instituts, die bereits am Montag veröffentlicht worden waren. Unabhängige Meinungsforscher hatten dagegen keinen so deutlichen Sieg vorhergesagt. In der russischen Hauptstadt und in St. Petersburg kam es zu Protesten einzelner Putin-Gegner. Sie verliefen bis zum frühen Abend friedlich.
Die Verfassung beinhaltet viele soziale Versprechen wie etwa eine jährliche Pensionsanpassung. Die Wähler stimmten über ein ganzes Paket von Änderungen ab, darunter etwa auch die Garantie, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau erlaubt bleibe. Putin hatte betont, dass es gleichgeschlechtliche Ehen nicht geben werde, solange er an der Macht ist.
Das Innenministerium berichtete der Agentur Interfax zufolge von mehr als 800 Zwischenfällen bei der Abstimmung. Es gebe aber keine Verstöße, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos sprachen von Hunderten Verstößen. Die Menschen seien zur Stimmabgabe gedrängt und das Wahlgeheimnis sei oft nicht gewahrt worden, hieß es. Zudem sollen viele Menschen mehrfach abgestimmt haben.
Kremlkritiker Alexej Nawalny meinte, es sei ungeheuerlich, dass die Wahlkommission während der laufenden Abstimmung bereits erste Ergebnisse veröffentliche. "Sie wollen damit absichtlich zeigen, dass sie auf das Gesetz spucken", twitterte der Oppositionelle. "Ihr Platz ist auf der Anklagebank."
Die Abstimmung hatte am vergangenen Donnerstag begonnen. Sie war auf mehrere Tage angesetzt, damit wegen der Corona-Pandemie genügend Zeit für die Menschen blieb, ihre Stimmabgabe zu organisieren. Die Menschen in Moskau und Nischni Nowgorod durften auch im Internet abstimmen. Zudem kamen Mitarbeiter der Wahlkommission zu den Menschen nach Hause. Als Anreiz, zur Abstimmung zu kommen, gab es Gewinnspiele. Ursprünglich war die Abstimmung für den 22. April angesetzt gewesen. Sie wurde wegen der Pandemie verschoben.
Zusammenfassung
- Bei einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Abstimmung haben die Russen die neue Verfassung für einen Machterhalt von Kremlchef Wladimir Putin wohl klar angenommen.
- Rund 76 Prozent der Berechtigten stimmten nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmzettel nach Angaben der Wahlkommission vom Mittwoch für das neue Grundgesetz.
- Die Menschen in Moskau und Nischni Nowgorod durften auch im Internet abstimmen.