Hisbollah-Block verliert im Libanon

Bei der Wahl im krisengeschüttelten Libanon haben die schiitische Hisbollah und ihre Verbündeten überraschend hohe Verluste erlitten. Vorläufigen Ergebnissen vom Montag zufolge verlieren sie im Abgeordnetenhaus des Mittelmeerlandes die Mehrheit. Vertreter der oppositionellen Protestbewegung feierten hingegen einen für viele unerwarteten Erfolg. Auch andere Gegner der eng mit dem Iran verbündeten Hisbollah ("Partei Gottes") konnten zulegen.

Die Hisbollah ist die einflussreichste politische Kraft im Libanon. Ihre Macht stützt sich unter anderem auf ihre eigene Miliz, mit der sie ganze Gebiete des Libanon kontrolliert, darunter die Grenze zu ihrem Erzfeind Israel. Bei der Wahl am Sonntag konnte die Hisbollah die Zahl ihrer Sitze weitestgehend halten. Mehrere ihrer Partner verloren aber den Angaben zufolge Mandate. Bei der Wahl 2018 hatten sie zusammen noch eine deutliche Mehrheit erzielt

Noch nicht alle Ergebnisse waren am Montagabend bestätigt. Die Auszählung laufe noch weiter, erklärte Innenminister Bassam Maulawi. Wann mit dem offiziellen Endergebnis zu rechnen ist, war unklar. Dem Innenministerium zufolge sank die Wahlbeteiligung auf etwa 41 Prozent.

Medienberichten zufolge kommen die Listen der Protestbewegung auf bis zu zehn Mandate im Abgeordnetenhaus, das insgesamt 128 Sitze zählt. Die Bewegung geht auf die Massendemonstrationen zurück, die im Herbst 2019 gegen die politische Führung ausgebrochen waren. Ihre Vertreter und andere Oppositionelle wollen das Machtmonopol der Parteien brechen, die im Libanon seit Jahrzehnten herrschen.

Zulegen konnte demnach auch die Partei des ehemaligen christlichen Milizenkommandeurs Samir Geagea, einem der schärfsten Hisbollah-Kritiker. Sie stellt nun mit rund 20 Sitzen die stärkste christliche Kraft in dem multikonfessionellen Land.

"Die ersten Ergebnisse haben positive Überraschungen für die Opposition gebracht", sagte Maha Yahya, Leiterin des Carnegie Middle East Center in Beirut. Einige traditionelle Anführer hätten ihre Sitze verloren. "Das ist womöglich der Beginn einer Veränderung."

Der Libanon leidet seit mehr als zwei Jahren unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Nach UN-Angaben leben rund drei Viertel der Menschen des Landes mittlerweile unter der Armutsgrenze. Im Alltag kämpfen sie mit Mangelversorgung. Die libanesische Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Regierung kann ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen.

Die Massenproteste zogen 2019 Zehntausende Menschen auf die Straße. Die Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die weitverbreitete Korruption. Viele Menschen machen die seit Jahrzehnten regierenden etablierten Parteien für die schwere Krise des Landes verantwortlich. Kritiker sprechen von einer "Regierungsmafia", die sich allein selbst bereichere. Potenzielle ausländische Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) fordern im Gegenzug für Finanzhilfe Reformen. Diese sind allerdings bisher ausgeblieben.

Das politische System des Libanon ist bestimmt durch ein fragiles Gleichgewicht zwischen den Konfessionen. Das Staatsoberhaupt ist immer ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die schiitische Hisbollah genießt mit ihrer eigenen Miliz besonderen Einfluss und kontrolliert ganze Gebiete, unter anderem an der Grenze zu ihrem Erzfeind Israel.

Es war die erste Parlamentswahl seit der Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut im August 2020. Damals kamen mehr als 190 Menschen ums Leben, etwa 6.000 wurden verletzt. Die Detonation verwüstete große Teile des Hafens und umliegender Wohngebiete.

ribbon Zusammenfassung
  • Bei der Wahl im krisengeschüttelten Libanon haben die schiitische Hisbollah und ihre Verbündeten überraschend hohe Verluste erlitten.
  • Vorläufigen Ergebnissen vom Montag zufolge verlieren sie im Abgeordnetenhaus des Mittelmeerlandes die Mehrheit.
  • Bei der Wahl am Sonntag konnte die Hisbollah die Zahl ihrer Sitze weitestgehend halten.
  • Es war die erste Parlamentswahl seit der Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut im August 2020.