Hilfsorganisationen: Mehr Hilfe in Gazastreifen lassen
"Wir können keine Minute länger auf eine humanitäre Feuerpause oder die Aufhebung der Belagerung warten, die eine kollektive Strafe darstellt", sagte der Generalsekretär des norwegischen Flüchtlingsrates, Jan Egeland, auf der Konferenz in Paris. "Ohne Feuerpause, ohne Aufhebung der Belagerung und der wahllosen Bombardierung und Kriegsführung wird das Blutvergießen weitergehen." Die Organisation Ärzte ohne Grenzen äußert sich kritisch zu den bestehenden Sicherheitszonen im Süden des Gazastreifens. Das seien "Fake-Zonen", sagt die Vorsitzende der Hilfsorganisation, Isabell Defourny.
Der Generalkommissar des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, forderte: "Zivile Infrastrukturen, die Einrichtungen der UNO, die Geflüchtete beherbergen, eingeschlossen, müssen überall in Gaza und jederzeit für humanitäre Hilfe zugänglich sein." Was über Rafah komme, sei schlicht unzureichend. Es brauche einen kontinuierlichen Fluss humanitärer Hilfe. Lazzarini sagte, alle Übergänge in den Küstenstreifen müssten offen sein, "vor allem die mit Israel". Er wies zudem darauf hin, dass die finanziellen Mittel des Hilfswerks nicht ausreichten, und bat um Unterstützung. In Gaza habe man nicht genügend Geld, um die Gehälter der Mitarbeitenden bis zum Jahresende zu zahlen.
Die Präsidentin vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, Mirjana Spoljaric Egger, rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, in Gaza Menschenleben zu retten und humanitäre Hilfe möglich zu machen. Es drohe eine humanitäre Katastrophe. Das humanitäre Völkerrecht müsse vor Ort respektiert werden und die Helfer bräuchten Sicherheitsgarantien für ihren Einsatz. Zivile Infrastruktur dürfe nicht zur Zielscheibe militärischer Angriffe werden.
"Heute ist die Lage ernst und verschlechtert sich jeden Tag weiter", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der das internationale Treffen gut einen Monat nach Beginn des Gaza-Krieges anberaumt hatte. "Wir brauchen eine sehr schnelle humanitäre Pause und müssen auf einen Waffenstillstand hinarbeiten. Es muss der Raum geschaffen werden, den die humanitären Akteure benötigen, um in Gaza tätig zu werden." Die Zivilbevölkerung dort müsse geschützt werden, unterstreicht Marcon. "Das ist unabdingbar und nicht verhandelbar und eine unmittelbare Notwendigkeit.
Mohammed Shtayyeh, Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete, die nur im Westjordanland regiert, forderte internationalen Schutz für die palästinensische Bevölkerung. Das Völkerrecht werde verletzt, Kriegsverbrechen würden begangen. Israel führe keinen Krieg gegen die militante Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, sondern gegen alle Palästinenser. "Das Leid der Palästinenser hat nicht am 7. Oktober begonnen", sagt Shtayyeh mit Blick auf den Beginn des Hamas-Angriffes. "Es besteht seit 75 Jahren." Damit bezog er sich auf die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 nach der Niederlegung des britischen Mandates über Palästina. Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry lehnte jeden Versuch ab, Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Was Israel derzeit tue, gehe über Selbstverteidigung hinaus, sagte er in der französischen Hauptstadt.
Fankreich will mit der eintägigen Konferenz dazu beitragen, dass die Hilfe für den Gazastreifen besser koordiniert und verstärkt wird. An ihr nehmen rund 80 Vertreter von Staaten, internationalen Organisationen und in Gaza tätigen NGOs teil, darunter Ägypten, Jordanien und die arabischen Golf-Staaten sowie westliche Staaten und G20-Mitglieder mit Ausnahme Russlands und beispielsweise Ärzte ohne Grenzen. Allerdings waren nur wenige Staats- und Regierungschefs oder Außenminister vor Ort. Thema war auch die Wiederherstellung der Wasser-, Treibstoff- und Stromversorgung im Gazastreifen. Auch die Errichtung eines Seekorridors sollte diskutiert werden, um über das Mittelmeer humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen und Verletzte per Schiff in Sicherheit zu bringen. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Hilfe nicht an die Hamas umgeleitet wird.
Es wurden auch neue Finanzzusagen für die Bevölkerung in dem abgeriegelten Gebiet gemacht. Frankreich erhöht laut Macron seine Hilfen für die palästinensische Bevölkerung von 20 Millionen auf 100 Millionen Euro in diesem Jahr. Österreich stellt weitere zwei Millionen Euro für humanitäre Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung zur Verfügung, wie das Außenministerium in Wien bekannt gab. Die Gelder fließen demnach an die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften.
Am Donnerstag trafen im Gazastreifen 106 weitere Lastwagen zur Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung ein. Diese hätten unter anderem Essen, Wasser und Arzneimittel geladen, hatte der Palästinensische Rote Halbmond bereits am Mittwochabend mitgeteilt. Insgesamt seien seit Wiederöffnung des Grenzübergangs Rafah nach Ägypten am 21. Oktober damit 756 Lastwagen in dem Küstengebiet eingetroffen. Nach UNO-Angaben sind täglich 100 Lastwagen-Ladungen notwendig, um die gut zwei Millionen Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Das UNRWA befürchtet unterdessen ein Übergreifen der Eskalation im Gazastreifen auch auf das Westjordanland. "Das Westjordanland kocht", sagte Lazzarini in Paris. Es bestehe Bedarf an sinnvoller kontinuierlicher humanitärer Hilfe für den Gazastreifen. Dazu zähle die Lieferung von Treibstoff. Die über den ägyptischen Grenzübergang Rafah eingehende Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen sei unzureichend. Alle Übergänge in den Gazastreifen müssten geöffnet werden, forderte Lazzarini. Rafah ist der einzige Grenzübergang, der nicht nach Israel führt und nicht von israelischen Sicherheitskräften kontrolliert wird.
Zusammenfassung
- Österreich stellt weitere zwei Millionen Euro für humanitäre Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung zur Verfügung, wie das Außenministerium in Wien bekannt gab.