Hauptangeklagter in Wiener IS-Prozess vorübergehend in Haft
Das bestätigte am Samstagabend Barbara Schwarz, die Sprecherin des Landesgerichts für Strafsachen Graz. "Der Antrag auf Verhängung der U-Haft wurde abgewiesen", teilte Schwarz auf APA-Anfrage mit.
Wie Kreiner zuvor im Gespräch mit der APA erläuterte, hatte die Staatsanwaltschaft Graz bezüglich Turpal I. die Erlassung einer Festnahmeanordnung beantragt. Basis dafür sei ein separates Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusfinanzierung, wobei sich der Vorwurf auf Geldzuwendungen der Eltern des 32-Jährigen an diesen beziehe. Das entsprechende Ermittlungsverfahren laufe allerdings seit 2015 und sei damit älter als jenes, das sich seit knapp zwei Wochen in Wien im Hauptverhandlungsstadium befindet, sagte Kreiner. Überdies seien die angeblichen Geldzuwendungen mehrfach im laufenden Prozess thematisiert und ein terroristischer Kontext nicht bewiesen worden. "Die Festnahmeanordnung wurde mit Behauptungen begründet, die weder mit den Ergebnissen im Ermittlungsverfahren noch der Hauptverhandlung übereinstimmen", betonte Kreiner. Der Staatsanwalt habe sich die Überweisungen, die keinerlei terroristischen Hintergrund gehabt hätten, "herausgepickt", um seinen Mandanten "konstruiert wieder in Haft zu bringen", nachdem dieser im vergangenen Mai nach Ablauf der vom Gesetz auf zwei Jahre begrenzten U-Haft zwingend aus dem Gefängnis entlassen werden musste.
Wie auch immer: Die Festnahmeanordnung wurde am vergangenen Donnerstag bewilligt und in Wien vollzogen, wie "Der Standard" am Wochenende berichtete. Am Samstag musste jedoch nach Ablauf von 48 Stunden entschieden werden, ob Turpal I. in U-Haft übernommen wird. Zuständig dafür war das Landesgericht Graz. Der Antrag wurde abgewiesen, wobei dafür in erster Linie der sogenannte Spezialitätsgrundsatz maßgeblich war, wie Gerichtssprecherin Schwarz darlegte. Turpal I. war seinerzeit mit Europäischem Haftbefehl in Belarus (Weißrussland) festgenommen und an die österreichische Justiz ausgeliefert worden - im Auslieferungsersuchen dürfte jedoch der Vorwurf der Terrorismusfinanzierung nicht enthalten gewesen sein.
Turpal I. muss sich derzeit vor einem Wiener Schwurgericht verantworten, weil er 2013 nach Syrien gereist sein soll, sich in leitender Funktion einer Terror-Gruppierung angeschlossen haben und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Namen des IS Gräueltaten begangen bzw. angeordnet haben soll. Laut Anklage soll er in der nordsyrischen Stadt Hraytan die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie von drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben, in einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen. Der 32-Jährige bestreitet das, hat sich vor Gericht als Opfer einer Verwechslung dargestellt und behauptet, er habe in Syrien das Grab seines - Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zufolge als IS-Kämpfer - gefallenen Schwagers gesucht, gefunden und in weiterer Folge mehrfach besucht.
Turpal I. - vor seiner Zuwendung zum IS mehrfacher Staatsmeister im Taekwondo - saß seit 24. April 2019 in U-Haft. Nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft musste er aus rechtlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt werden, da es bis dahin nicht gelungen war, gegen den Terrorverdächtigen auf Basis einer rechtskräftigen Anklageschrift eine Hauptverhandlung zu eröffnen. Am 5. Mai konnte der 32-Jährige das Gefängnis verlassen. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt, zu dem Turpal I. - wie schon an den vorangegangenen Verhandlungstagen - im Unterschied zu Mirsad O. und einem zweiten Foreign Terrorist Fighter, der seit August 2019 in U-Haft sitzt, wieder auf freiem Fuß erscheinen wird.
Zusammenfassung
- Das bestätigte am Samstagabend Barbara Schwarz, die Sprecherin des Landesgerichts für Strafsachen Graz.
- "Der Antrag auf Verhängung der U-Haft wurde abgewiesen", teilte Schwarz auf APA-Anfrage mit.
- Das entsprechende Ermittlungsverfahren laufe allerdings seit 2015 und sei damit älter als jenes, das sich seit knapp zwei Wochen in Wien im Hauptverhandlungsstadium befindet, sagte Kreiner.
- Am 5. Mai konnte der 32-Jährige das Gefängnis verlassen.