Harte Töne zum informellen Wahlkampfstart in Deutschland
Merz warf den Grünen vor, die Wirtschaftspolitik auf neue Schulden und hohe Steuern aufzubauen und sprach ihnen zunehmend die Koalitionsfähigkeit ab. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bezeichnete die Investitionspläne von CDU und CSU als "Voodoo-Politik", die nicht finanziert sei. Lindner warnte vor einem weiteren Abwandern von Wählerinnen und Wählern an die politischen Ränder.
Die Parteien hatten für die Verabschiedung ihrer Programme den Tag nach dem Ende der rot-grünen Minderheitsregierung gewählt, die Scholz angeführt hatte. Der SPD-Kanzlerkandidat ist jetzt noch geschäftsführend im Amt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss in den nächsten Tagen entscheiden, ob er den Weg zu Neuwahlen freimacht. Dieser Schritt wird erwartet, da alle Parteien dies wollen. Noch am Dienstag ist ein Treffen Steinmeiers mit CDU/CSU-Fraktionschef Merz geplant, seinen SPD-Kollegen Rolf Mützenich empfing er am Vormittag. Steinmeier, Merz und Mützenich hatten schon vor Wochen informell den weiteren Ablauf akkordiert, einschließlich des Wahltermins 23. Februar.
In den Wahlprogrammen von CDU/CSU, FDP und Grünen zeigen sich deutliche Unterschiede in den Zielen und der Politik. CDU/CSU-Fraktionschef Merz kündigte an, dass man die Wirtschaftspolitik nicht wie die Grünen "auf neue Schulden, hohe Steuern und viel Umverteilung" aufbauen wolle, sondern auf Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit. "Wir wollen nicht den vorhandenen kleinen Kuchen besser verteilen, sondern wir wollen gemeinsam einen größeren Kuchen für alle herstellen." Ohne Leistungsbereitschaft, ohne Wettbewerbsfähigkeit, ohne Wachstum könnten in Deutschland nicht mehr alle Aufgaben der Zukunft gelöst werden, sagte Merz. "Wirtschaft ist nicht alles. Aber ohne Wirtschaft ist alles nichts." Er kündigte auch einen neuen Stil in einer von ihm geführten Bundesregierung an.
Vizekanzler Habeck bezifferte den Investitionsbedarf in die Infrastruktur auf eine mittlere dreistellige Milliardenzahl über die nächsten zehn Jahre. "Die Union behauptet, das rechnet sich alles durch Wachstum", sagte er. Deren Steuersenkungspläne beliefen sich auf 40 bis 50 Milliarden Euro. Es sei aber nicht möglich, "das Wachstum im gleichen Jahr zu erzielen, wie die Steuersenkungen erfolgen", sagte Habeck. "Das heißt, man muss es vorfinanzieren." Es sei völlig illusorisch, das erforderliche Geld nur durch Einsparungen im Budget zu erwirtschaften, sagte der Grünen-Politiker in Anspielung auf die unterschiedlichen Positionen zur Schuldenbremse. Die Grünen und die SPD wollen Investitionen vom Schuldendeckel im Grundgesetz ausnehmen.
CSU-Chef Söder rechnete dagegen vor, dass beim Bürgergeld, Heizungsgesetz und durch eine andere Migrationspolitik Einsparungen von bis zu 100 Milliarden Euro möglich seien. Auch Kanzlerkandidat Merz betonte, dass man zwei bis drei Milliarden Euro an Bürgergeld pro 100.000 Menschen einspare, die man in Arbeit bringe. Die Einnahmen würden gleichzeitig um 1,7 Milliarden Euro wachsen. "Wir haben einen aufnahmebereiten Arbeitsmarkt." Im Übrigen erlaube die Schuldenbremse in der derzeitigen Form eine jährliche Kreditaufnahme von 50 Milliarden Euro.
Sowohl Union, FDP als auch SPD versprechen eine steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer. Union und FDP wollen dabei nicht nur die Einkommensteuertarife senken, sondern auch den Spitzensteuersatz später greifen lassen. Die Union will die Unternehmenssteuern auf 25 Prozent, die FDP sogar auf unter 25 Prozent senken. Beide wollen den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen. Sowohl Union als auch FDP planen, das Bürgergeld grundlegend zu reformieren oder abzuschaffen. SPD und Grüne wiederum denken bei Spitzenverdienern an eine Steuererhöhung.
Die Grünen betonen in ihrem Programm den nötigen Klimaschutz, der angesichts der stärkeren Betonung von Wettbewerbsfähigkeit nicht vernachlässigt werden dürfe. Co-Parteichef Felix Banaszak sagte, die nächste Regierung entscheide darüber, ob die Klimaziele erreicht würden. Den Grünen gehe es um "effektiven und sozial gerechten Klimaschutz". Sie schlagen ein sozial gestaffeltes Klimageld vor, mit dem Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zurückgegeben werden. Auch in Österreich werden die CO2-Steuereinnahmen im Rahmen eines "Klimabonus" zurückgegeben, wobei dieser aktuell aber wegen des hohen Budgetdefizits ziemlich wackelt. Die SPD wird ihr Wahlprogramm am frühen Nachmittag vorlegen.
Die vorgezogene Neuwahl war notwendig geworden, weil die Regierungskoalition SPD, Grüne und FDP im November an einem monatelangen Streit über die Budgetkonsolidierung zerbrochen war. Belegt durch interne Dokumente des kleinsten Regierungspartners wird FDP-Chef Christian Lindner vorgeworfen, den Bruch der Koalition seit dem Sommer angestrebt zu haben, um dem laut Umfragen drohenden Rauswurf der Partei aus dem Bundestag abzuwenden.
Zusammenfassung
- Nach der verlorenen Vertrauensfrage von Olaf Scholz haben CDU, Grüne und FDP den Wahlkampf in Deutschland intensiviert.
- Friedrich Merz kritisiert die Grünen für ihre Wirtschaftspolitik und betont die Wichtigkeit von Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit.
- Robert Habeck fordert Investitionen in Höhe einer mittleren dreistelligen Milliardenzahl in die Infrastruktur und kritisiert die Finanzierungspläne der Union.
- Christian Lindner warnt vor einer Abwanderung der Wähler an die politischen Ränder und betont die Notwendigkeit von Steuerentlastungen.
- Die Grünen schlagen ein sozial gestaffeltes Klimageld vor, um den Klimaschutz zu fördern.