Griechenland besorgt wegen neuem türkischen Atomkraftwerk
Grossi hatte am vergangenen Donnerstag an der Einweihungszeremonie teilgenommen und dabei auch auf die Unterstützung der Experten der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verwiesen. "Dass Grossi dort war, beruhigt mich, aber ich würde gerne hören, was er zum Status des Reaktors sagt", sagte Dendias auf eine Frage der APA. Eine frühere Warnung, wonach Akkuyu zu einem zweiten Tschernobyl werden könnte, wollte Dendias nicht wiederholen. Seine Sorge gelte aber weiterhin der Tatsache, dass bei dem Reaktor die höchsten Sicherheitsstandards eingehalten werden.
In Griechenland wird befürchtet, dass der Reaktor nicht nur zivil genutzt werden könnte. Zudem wird auf das Sicherheitsrisiko durch Erdbeben verwiesen. Akkuyu liegt unweit des Epizentrums des verheerenden Erdbebens im Februar in der Südosttürkei und Syrien. Griechenland betreibt selbst keine Atomkraftwerke, unter anderem wegen der hohen Erdbebengefahr im Land.
"Hauptgrund" seines Gesprächs mit Grossi sei aber die Lage im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Dieses AKW sei nämlich eine "direkte Bedrohung" der ganzen Region, auch Österreichs. Er wolle mit dem IAEA-Chef darüber sprechen, wie man helfen könne. Schallenberg sagte, dass er in einem "laufenden Austausch" mit Grossi sei, der mit seiner Organisation "einen großartigen Job" mache. "Saporischschja bereitet uns wirklich Kopfzerbrechen", fügte er hinzu.
In Bezug auf Akkuyu erinnerte Schallenberg an die traditionelle Position der österreichischen Regierung, wonach Atomkraft weder grün noch nachhaltig sei. Man respektiere die Entscheidung einzelner Staaten über ihren Energiemix, "aber Sie werden mich über kein Atomkraftwerk in Europa oder seiner Nachbarschaft in Jubel ausbrechen sehen".
Dendias äußerte auf eine entsprechende Frage auch die Erwartung, dass die Zahl der Flüchtenden aus dem Krisenland Sudan steigen wird. Ziel sollte sein, dass diese Flüchtlinge in der Nähe der sudanesischen Grenze bleiben, damit sie nach einem Waffenstillstand schnell zurückkehren können. "Wenn sie den Sudan in Richtung Europa verlassen, hilft das weder ihnen noch Europa", sagte der konservative Politiker. Ähnlich äußerte sich Schallenberg. "Das Beste, was wir tun können ist, an Ort und Stelle zu helfen", sagte er. Es gehe darum, "dass die Normalität zurückkehrt". Auch wenn man derzeit "noch weit davon entfernt" sei, habe Europa diesbezüglich Einflussmöglichkeiten.
Schallenberg dankte seinem griechischen Amtskollegen für die "ausgezeichnete" Zusammenarbeit im Migrationsbereich. Es sei ein "positives Zeichen", dass die Zahl der Migrantenankünfte auf den griechischen Inseln zurückgegangen sei. Zugleich wisse man aber, "dass dieser Druck niemals nachlassen wird", bekräftigte der Außenminister die umstrittene österreichische Position in Bezug auf die Schengen-Erweiterung.
Dendias sprach die österreichische Schengen-Blockade nicht an. Vielmehr äußerte er den Wunsch nach mehr österreichischen Investitionen sowie dem Ausbau von Energieleitungen zwischen Griechenland und Zentraleuropa. Zuversichtlich zeigte er sich, was den Konflikt um die Gasförderung im östlichen Mittelmeer betrifft. Dieser Streit beruhige sich. "Wir hoffen, dass wir nach den türkischen Wahlen einen Ausweg finden können, was unsere Differenzen mit der Türkei betrifft." Eine Lösung müsse aber auf dem Völkerrecht und der Seerechtskonvention beruhen, unterstrich Dendias. Schallenberg sagte, dass Griechenland "hart daran arbeitet, zur Energiedrehscheibe zu werden". Dafür brauche es Stabilität in der Region, und Österreich wolle Griechenland dabei unterstützen.
Ihren Gleichklang betonten die Minister auch, was die Verurteilung der russischen Aggression in der Ukraine und die damit verbundene Notwendigkeit einer raschen EU-Annäherung der Westbalkan-Staaten betrifft. Schallenberg sagte, dass 2023 diesbezüglich "ein schwieriges Jahr" sei, weil die vergleichsweise einfachen Themen schon allesamt erledigt seien.
Die beiden Minister zeigten sich auch erfreut, dass das Kunsthistorische Museum Wien und das Akropolis Museum in Athen einen Austausch von Exponaten planen. Dabei geht es um zwei Fragmente aus dem Parthenon, die sich im Besitz des KHM befinden. Er hoffe, dass sie "schon bald in Athen ausgestellt werden können", sagte Schallenberg. Dendias stellte die Vereinbarung in den Kontext des "Kampfes gegen den illegalen Handel mit kulturellen Gütern". Die Übergabe der Fragmente in Größe von 25 und 65 Zentimetern sei eine Geste "von hohem symbolischen Wert", so Dendias, der sich "sehr zufrieden" mit der Ankündigung seines Amtskollegen zeigte.
Zusammenfassung
- Griechenland sieht das vorige Woche eingeweihte neue türkische Atomkraftwerk Akkuyu mit Sorge.
- "Für uns liegt Akkuyu gleich um die Ecke", sagte der griechische Außenminister Nikos Dendias am Dienstag nach einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) in Wien.
- Dendias bestätigte, dass er auch mit IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi über den vom russischen Konzern Rosatom errichteten Meiler sprechen werde.