"Glückstreffer" führte auf Spur des IS-Mannes Lorenz K.
Wie der DSN-Beamte ausführte, hatten die heimischen Behörden im Juni 2020 über Europol von einem "IS-Influencer-Profil" erfahren. 700 IP-Adressen mussten in weiterer Folge überprüft werden, wobei man bei der Suche nach dem IS-Propagandisten ohne fremde Hilfe nicht weitergekommen wäre. Ohne "internationalen Austausch" wäre man "an der heimischen Rechtslage gescheitert", sagte der Zeuge. So aber habe der Verfassungsschutz mehr Informationen bekommen und konnte schließlich eigenständig Beweismittel sichern, darunter ein Foto, das der gesuchte Influencer offenbar mit einem Smartphone aus einer Zelle in einer Justizanstalt aufgenommen hatte. Man habe "Puzzlesteine" zusammengetragen, darunter auch ausgelesene Chats.
Auf den Verdacht, dass der gesuchte Mann Lorenz K. sein könnte, sei schließlich er selber gekommen, berichtete der DSN-Ermittler: "Es war ein Glückstreffer, weil ich schon bei der Handy-Auswertung 2017 dabei war." Aus dem ersten, im Jahr 2017 geführten Ermittlungsverfahren gegen Lorenz K. habe er "ein Gefühl bekommen, wie er schreibt". Als er nun Chats vorgelegt bekam, in denen der Gesuchte unter anderem "Erstmal baya (gemeint: Treueschwur) geben und deinen Amir (gemeint: Befehlshaber) fragen, was das Beste ist" oder "Du kannst eine amelia (gemeint: Bombe) machen" schrieb, machte es beim Beamten Klick. Für diese Ausdrücke hatte Lorenz K. schon 2017 ein Faible gehabt.
Umgehend wurde in der Justizanstalt Karlau der Haftraum des verurteilten IS-Mannes durchsucht. Man fand sein Handy und konnte in weiterer Folge eine mutmaßliche Terror-Zelle aufdecken, die sich im Gefängnis um Lorenz K. gebildet hatte. Denn auch im Haftraum des nun mitangeklagten Nino K. (33), der eine 16-jährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Raubmordes verbüßt und sich als mutmaßlicher Anhänger des IS erwies, wurde ein illegales Smartphone entdeckt. Lorenz K. hatte dem 33-Jährigen per WhatsApp ein Propagandavideo des IS übermittelt, in dem erläutert wird, dass man keine Waffen benötige, um "verheerenden Schaden bei den 'Kuffar' anzurichten". Nino K. übermittelte dieses Video einem Bekannten ("Ich küsse dein Herz. Schau, neues Video ist draußen").
Es zeigte sich weiters, dass Lorenz K. in der Karlau auch näheren Kontakt mit Abdelkarim Abu H. (41) hatte, den das Landesgericht Krems wegen versuchter Bestimmung zu Mordanschlägen im Namen der Hamas zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Lorenz K. soll dem "Lebenslangen" eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt und diesen in einer Audio-Unterhaltung über einen Messengerdienst ersucht haben, einen Mann zu einem Treueschwur auf den IS zu bringen. Anfang August 2020 wurden dann bei einer Durchsuchung der Zelle von Abdelkarim Abu H. Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser laut bestehender Verdachtslage eine Sprengvorrichtung bauen wollte. Gegen den Hamas-Terroristen wird von der Staatsanwaltschaft Graz separat ermittelt.
Ausschließlich bezogen auf die aktuelle Verhandlung und die Verdachtslage gegen Lorenz K. wurde der 41-Jährige am Montag im Wege einer Videokonferenz als Zeuge vernommen. Diese Befragung verlief wenig ergiebig. Zuerst tat der Zeuge so, als wüsste er nicht, was mit dem Begriff "Baya" (Treueschwur, Anm.) gemeint ist. Dann behauptete er: "Es gab eine Frau, die auf Lorenz gestanden ist, die mit Lorenz etwas hatte. Sie hat mich angeschrieben, damit ich die Nummer weitergebe."
Über Video wurde ein weiterer Häftling befragt, der seinerzeit mit Lorenz K. und Nino K. im Gefängnis saß. Er habe die beiden "für Extremisten" gehalten, bekräftigte der Mann seine bisherigen Angaben: "Für mich hat das geheißen 'Abstand halten', da halt ich mich fern." Die anderen hätten sich mit dem so genannten Tauhid-Finger gegrüßt - die erhobene rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger gilt als Erkennungszeichen von IS-Sympathisanten.
Die Verhandlung musste vertagt werden, da ein vormaliger Chat-Partner von Lorenz K. seiner Zeugenladung nicht nachkam. Er ließ in der Vorwoche die Richterin telefonisch wissen, er wolle "mit diesen Männern (gemeint: die beiden Angeklagten, Anm.) nichts mehr zu tun haben", verlas die Vorsitzende einen entsprechende Aktenvermerk. Danach ging der in Deutschland aufhältige Mann auf Tauchstation. Da seine Aussage wesentlich für das Verfahren ist, bestand Verteidiger David Jodlbauer auf seiner Einvernahme. Nun soll versucht werden, den Mann bis zum nächsten Termin stellig zu machen.
Die gegenständliche Anklage legt Lorenz K. Bestimmung zum Mord sowie Bestimmung zur vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel, jeweils begangen als terroristische Straftaten zur Last. Zusätzlich sind die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation inkriminiert - nur dazu ist Lorenz K. geständig. Bei einer anklagekonformen Verurteilung müsste der 25-Jährige, dessen reguläres Strafende Ende Oktober 2026 wäre, mit weiteren zehn bis 20 Jahren oder gar lebenslanger Haft rechnen.
Zusammenfassung
- Am Wiener Landesgericht wurde der Terror-Prozess gegen Lorenz K., der bereits zu neun Jahren Haft verurteilt ist, fortgesetzt.
- Durch einen Glückstreffer und internationalen Informationsaustausch konnten Beweismittel gegen Lorenz K. gesichert werden.
- Im Gefängnis wurde eine mutmaßliche Terror-Zelle aufgedeckt, in der Lorenz K. eine zentrale Rolle spielte.
- Bei einer Verurteilung drohen Lorenz K. weitere zehn bis 20 Jahre Haft oder eine lebenslange Freiheitsstrafe.
- Die Verhandlung musste auf den 31. Juli vertagt werden, da ein wesentlicher Zeuge nicht erschien.