Wer war eigentlich Leopold Figl?
Um kaum einen anderen heimischen Politiker ranken sich so viele Karikaturen und Anekdoten wie um Leopold Figl, den ersten Bundeskanzler der Zweiten Republik, Außenminister und Mitbegründer der ÖVP. In die Geschichtsbücher und Dokumentationsarchive eingegangen ist sein Auftritt vom 15. Mai 1955, als er vom Balkon des Schlosses Belvedere mit dem Ausruf "Österreich ist frei" einer jubelnden Menge den Staatsvertrag präsentieren konnte.
"Glaubt an dieses Österreich"
Auch Figls brennender Appell "Glaubt an dieses Österreich" ist immer wieder zu hören, wenn von Kriegsvergangenheit, Not, Elend, aber auch Wiederaufbaustimmung die Rede ist - in diesem Tagen startet mit diesem Appell einen Kampagne von Bundeskanzler Karl Nehammer bzw. der ÖVP.
Und noch etwas ist überliefert: Die Trinkfestigkeit des niederösterreichischen Bauernsohnes soll damals den Staatsvertrag überhaupt erst ermöglicht haben. Ob wahr oder gut erfunden: Der "Ingenieur Figl" war eine Ausnahmeerscheinung unter den Politikern - volksverbunden aus echter Überzeugung, hat er politische Theorie durch Instinkt und Liebe zu den Menschen ersetzt.
1902 geboren
Leopold Figl wird am 2. Oktober 1902 in Rust im Tullnerfeld (NÖ) geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in St. Pölten nimmt er 1923 in Wien das Studium an der Hochschule für Bodenkultur auf, das er als Agraringenieur abschließt, um als Beamter in den niederösterreichischen Bauernbund einzutreten. Bereits 1933 wird er dessen Direktor, 1935 übernimmt er die Leitung des gesamtösterreichischen Bauernbundes.
1938 verhaftet
Politisch in der christlich-sozialen Partei verankert, gehört Figl zu den ersten Österreichern, die 1938 von den Nazis verhaftet und in das KZ Dachau abtransportiert werden. Die Kontakte, die er dort mit den ebenfalls internierten Exponenten der anderen Parteien knüpft, haben wesentlichen Anteil an der Entstehung des so genannten "Lagerstraßen-Mythos" und seiner Manifestation in der Zusammenarbeit aller weltanschaulichen Gruppen beim Wiederaufbau Österreichs. Freigelassen, wieder verhaftet und im Wiener Landesgericht schließlich zum Tod verurteilt, wird er im April 1945, am Tag seiner vorgesehenen Hinrichtung, befreit, nachdem sich die Truppen Hitlers bereits aus Wien absetzten.
Staatssekretär der provisorische Renner-Regierung
Noch im selben Monat wird Figl als Staatssekretär in die provisorische Staatsregierung unter Karl Renner berufen. Bereits am 1. Mai wird er aber provisorischer Landeshauptmann von Niederösterreich und schließlich am 8. September Bundesparteiobmann der von ihm mitbegründeten ÖVP. Bei den ersten freien Wahlen im November 1945 erringt die Volkspartei die absolute Mehrheit und Figl wird Bundeskanzler.
Niederlage
ÖVP-intern erlebt Figl 1952 eine schmerzliche Niederlage, als er als Parteiobmann Julius Raab weichen muss. Gerade die in den KZ-Jahren erworbene gute Gesprächsbasis mit der SPÖ wird ihm nun als Schwäche ausgelegt. Im Jahr darauf macht Figl seinem - trotzdem - persönlichen Freund Raab auch als Bundeskanzler Platz und wird Außenminister.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen des Jahres 1959 muss die ÖVP den Posten des Außenministers an die SPÖ abtreten und Figl wird Präsident des Nationalrates. 1962 schließlich kehrt er als Landeshauptmann in seine niederösterreichische Heimat zurück, wo ihm allerdings nur mehr etwas mehr als drei Jahre beschieden sind.
Am 9. Mai 1965 stirbt Leopold Figl in Wien im Alter von 62 Jahren.
Zusammenfassung
- Bundeskanzler Karl Nehammer bezieht sich oft auf Leopold Figl. Aktuell verwendet die ÖVP das Figl-Zitat "Glaubt an dieses Österreich" für eine Kampagne. Wer war Figl?