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Links-Bündnis in Frankreich überraschend auf Platz 1

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich mit den Neuwahlen ordentlich verzockt. Dabei wurde er im zweiten Wahlgang aber nicht von rechts, sondern überraschend von links überholt. Das Links-Bündnis stellt auch gleich einen Anspruch auf die Regierungsbildung.

Beobachter rechneten mit einem Wahlsieg, eventuell sogar mit einer absoluten Mehrheit. Aber die rechte und EU-skeptische Partei von Marine Le Pen, der Rassemblement National (RN), hat beim zweiten Wahlgang der Parlamentswahl nur Platz 3 geholt. 

Der Hochrechnung von TF1 zufolge kamen sie auf 130 bis 143 Sitze, Macrons Mitte-Bündnis "Ensemble" kommt auf 164 bis 169 Sitze. Die große Überraschung des Abends: Wahlsieger ist den Hochrechnungen zufolge das Links-Bündnis "Nouveau Front Populaire" (NFP; Neue Volksfront) mit 188 bis 199 Sitzen.

Premier kündigt Rücktritt an

Am Abend zog das Lager von Macron erste Konsequenzen nach der Wahlschlappe. Frankreichs Premierminister Gabriel Attal kündigte nach der Wahlschlappe des Regierungslagers seinen Rücktritt an.

"Gemäß der republikanischen Tradition und meinen Prinzipien entsprechend reiche ich morgen meinen Rücktritt beim Präsidenten ein", sagte er am Sonntag in Paris. Es steht dem Präsidenten offen, den Rücktritt anzunehmen oder nicht.

Land droht politische Krise

Das Ergebnis ist eine große Überraschung. Nach der ersten Wahlrunde vor einer Woche sahen Prognosen den RN noch knapp unter der absoluten Mehrheit und damit möglicherweise in der Lage, die nächste Regierung zu stellen. Der Rechtsruck fällt nun geringer aus als erwartet.

Kein Wahlsieg der RN ist für Macron erstmal eine gute Nachricht - eine neue Regierung zu bilden, dürfte nun aber dennoch zu einer Herkules-Aufgabe werden - Frankreich drpht eine Zeit der politischen Instabilität.

Die drei großen Blöcke in der Nationalversammlung könnten sich gegenseitig blockieren, die Regierung lähmen und das Land in eine politische Krise stürzen. Das links-grüne Bündnis ist auch intern alles andere als auf einer Linie und auch keineswegs mit Macron verbündet - im Gegenteil.

Wie es weitergeht, ist vorerst unklar. Mit dem Ergebnis ergeben sich verschiedene Zukunftsszenarien. Die Linken könnten versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition.

Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.

Links-Bündnis will regieren

"Die Neue Volksfront ist bereit zum Regieren", sagte der frühere Parteichef der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, am Sonntag in Paris. Er forderte den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal. "Wir haben gewonnen", skandierten die Unterstützer des Links-Bündnisses.

Sozialisten-Chef Olivier Faure sprach sich ausdrücklich gegen eine mögliche "Koalition" mit dem Regierungslager aus. "Die Neue Volksfront muss diese neue Seite unserer Geschichte in die Hand nehmen", sagte Faure.

Das Bündnis habe eine "immense Verantwortung". Faure betonte, dass die Pensionsreform, die das Pensionsantrittsalter auf 64 Jahre angehoben hatte, abgeschafft werden solle. "Es ist an der Zeit, die Superreichen und die Supergewinne zu besteuern", erklärte er.

"Klar", dass Macron verloren habe

"Unser Volk hat bewusst gewählt", meinte Mélenchon vom Links-Bündnis nur Minuten nach der Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen. Dass der Präsident verloren habe, sei "klar bestätigt", meinte der umstrittene linke Politiker, dem immer wieder Antisemitismus vorgeworfen wird. 

Bei einem Premier aus dem linken Lager müsste Macron die Macht teilen. Der Premier würde wichtiger. Das Links-Bündnis ist aber in sich gespalten und vertritt bei vielen großen politischen Themen sehr unterschiedliche Positionen.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand.

In einer ersten Stellungnahme meinte Präsident Macron, es sei nun "Vorsicht geboten". Die Ergebnisse würden nicht die Frage beantworten, "wer regieren soll". 

ribbon Zusammenfassung
  • Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich mit den vorgezogenen Neuwahlen ordentlich verzockt.
  • Dabei wurde er im zweiten Wahlgang aber nicht von rechts, sondern überraschend von links überholt.
  • Die große Überraschung des Abends: Wahlsieger ist das Links-Bündnis.
  • Das Bündnis von Macron dürfte auf Platz 2 vor Le Pens Rassemblement National (RN) bleiben.