Forderungen nach rascher Regierungsbildung in Nordirland
Das Ergebnis der Wahl vom Donnerstag gilt als historisch: Mit Sinn Fein als stärkster Kraft steht erstmals einer Partei das Amt der Regierungschefin zu, die sich für die Loslösung Nordirlands von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland einsetzt.
Eine schnelle Regierungsbildung ist allerdings nicht in Sicht. Laut dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 müssen sich die jeweils stärksten Parteien der beiden konfessionellen Gruppen in der früheren Bürgerkriegsregion auf eine Einheitsregierung einigen, andernfalls droht die politische Lähmung.
Doch genau das zeichnet sich ab, denn es gibt Streit um den Brexit-Sonderstatus des Landesteils. Die DUP will der Einheitsregierung mit der katholisch-republikanischen Sinn Fein nur zustimmen, falls die als Nordirland-Protokoll bezeichnete Vereinbarung im Brexit-Abkommen außer Kraft gesetzt wird.
Das Nordirland-Protokoll soll Kontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland vermeiden und so neue Konflikte verhindern. Dafür müssen nun aber Waren kontrolliert werden, wenn sie von Großbritannien nach Nordirland gebracht werden. Anhänger der Union fürchten, dass dies zu einer Entfremdung führt. Eine Mehrheit der neu gewählten nordirischen Abgeordneten unterstützt die Vereinbarung mit der EU aber.
DUP-Chef Jeffrey Donaldson rechtfertigte die Position seiner Partei. "Wir wollen, dass die politischen Institutionen funktionieren", sagte der Politiker in Belfast. Das könne aber nicht geschehen, solange die "Grenze im Meer" nicht beseitigt sei.
Der irische Premierminister Micheal Martin warnte die DUP unterdessen, sie werde weiter an Unterstützung in der Bevölkerung verlieren, sollte sie sich nicht den drängendsten Themen wie etwa den steigenden Lebenshaltungskosten annehmen. "Das war eine Wahl, bei der es um aktuelle Themen ging. Und daher denke ich, dass Parteien an Unterstützung verlieren könnten, wenn sie nicht auf das reagieren, was ihnen die Menschen an der Türschwelle gesagt haben", sagte Martin dem irischen Sender RTÉ. Bereits am Wochenende hatte auch ein Sprecher der US-Regierung zur raschen Regierungsbildung aufgerufen.
Die Menschen in dem Landesteil verdienten eine stabile Regierung, sagte auch Nordirland-Minister Lewis. Er betonte: "Wir müssen die offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Nordirland-Protokoll angehen, und wir wollen das im Einvernehmen mit der EU tun." Zugleich drohte Lewis erneut damit, London könne die Abmachung mit Brüssel aussetzen.
Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O'Neill sagte am Montag in Richtung London, sie habe Sorge, die nordirische Gesellschaft werde von der britischen Regierung und der DUP "erpresst". Dies sei nicht akzeptabel.
Der britische Premier Boris Johnson plant laut seinem Sprecher bisher nicht, sich persönlich in die Bemühungen um eine Regierungsbildung einzuschalten. Auch der Sprecher betonte am Montag, dass sich die Regierung Schritte vorbehält, um die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Protokoll außer Kraft zu setzen. Zwar sei eine Verhandlungslösung mit der EU vorzuziehen, doch deren Vorschläge vom vergangenen Jahr seien kontraproduktiv gewesen. Er schloss nicht aus, dass dazu ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden könnte.
Die Chefin der nordirischen Alliance Party, Naomi Long, warf Johnson vor, den Streit um das Protokoll für die eigenen Ziele zu instrumentalisieren. "Das Nordirland-Protokoll ist Johnsons Baby, es wurde unter seiner Führung geboren", so Long weiter. Der Premier müsse nun gemeinsam mit der EU Lösungen finden, damit es funktioniere. Das sei die einzige Sache, die der Wirtschaft des Landesteils die benötigte Sicherheit bringe. Die überkonfessionelle Alliance Party, die den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern einer irischen Vereinigung hinter sich lassen will, konnte die Zahl ihrer Mandate im nordirischen Parlament mehr als verdoppeln und ist nun drittstärkste Kraft.
Zusammenfassung
- Nach dem historischen Erfolg der pro-irischen Partei Sinn Fein bei der Parlamentswahl in Nordirland steigt der Druck auf die Protestantenpartei DUP, ihre Blockadehaltung bei der Bildung einer Einheitsregierung zu beenden.
- Mahnungen zu einer raschen Regierungsbildung kamen aus London, Dublin und Washington.
- Bereits am Wochenende hatte auch ein Sprecher der US-Regierung zur raschen Regierungsbildung aufgerufen.