Inflation, Sparen, Kredite - Fragen und Antworten zur Leitzins-Erhöhung
Angesichts der Rekordinflation ist die Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank (EZB) mit 0,50 Prozentpunkten deutlich höher als zunächst erwartet ausgefallen. Es könnte der Anfang einer Serie von Zinserhöhungen sein. Die Entscheidungen des EZB-Rates werden am Nachmittag (14.15 Uhr) bekanntgegeben.
Können Verbraucher auf sinkende Inflationsraten hoffen?
Die Menschen in Österreich und im Euroraum können sich angesichts steigender Inflationsraten zunehmend weniger für einen Euro leisten. Auf eine schnelle Entspannung bei den Preisen sollten sie allerdings auch nach einer Zinserhöhung zunächst nicht hoffen. Zwar können zeitlich befristete Teuerungsmaßnahmen, wie von der Regierung angekündigt, den Preisauftrieb möglicherweise etwas bremsen.
Spätestens nach dem Ende der Maßnahmen sollte die Inflation aber wieder nach oben springen, erwartet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Das gilt umso mehr, als die deutschen Unternehmen die massiv gestiegenen Materialkosten noch lange nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben."
Jörg Zeuner, Chefvolkswirt des Fondsanbieters Union Investment, erwartet zudem, dass die Preissteigerungen im Energiebereich und bei Lebensmitteln immer stärker auf andere Güter und Dienstleistungen umgelegt werden.
Was treibt die Inflation an?
Seit Monaten treiben stark gestiegene Energiepreise die Inflation an. Dieser Trend verschärfte sich noch durch den russischen Angriff auf die Ukraine.
Zudem hat die Industrie seit der Corona-Pandemie damit zu kämpfen, dass Lieferketten nicht reibungslos funktionieren, auch weil es in China teilweise immer wieder zu Lockdowns kommt. Im Juni erreichte die Inflation im Euroraum mit 8,6 Prozent den höchsten Stand seit Einführung der Gemeinschaftswährung als Buchgeld 1999.
Was bringt eine Zinserhöhung?
Gegen steigende Energiepreise sind Europas Währungshüter weitgehend machtlos. Die Notenbank kann aber dazu beitragen, dass sich die Teuerungsrate nicht dauerhaft auf hohem Niveau festsetzt. "Je zögerlicher die Geldpolitik jetzt handelt, desto mehr läuft sie Gefahr, in eine Situation zu geraten, in der sie später umso abrupter und stärker straffen müsste, um Preisstabilität zu gewährleisten", warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst.
Sorgen bereiten den Notenbankern mögliche Zweitrundeneffekten wie eine Lohn-Preis-Spirale. Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene Löhne als Rechtfertigung von weiteren Preiserhöhungen heranziehen. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch.
Was bedeuten Zinserhöhungen für Sparer?
Erste Banken haben die Zinsen für Tages- oder Festgeld bereits erhöht. Bis das Gros der Sparer nennenswerte Zinsen bekommt, dürfte es aber noch eine Weile dauern. Immerhin haben die ersten Kreditinstitute Negativzinsen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto abgeschafft. "Sobald die Notenbank den Strafzins auf Bankeinlagen streicht, werden auch die Negativzinsen für Sparer auf breiter Front wegfallen", erwartet Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Zuletzt mussten Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Viele Institute geben diese Belastung an Privatkunden ab bestimmten Summen auf dem Konto als sogenanntes Verwahrentgelt weiter.
Welche Folgen hat eine straffere Geldpolitik für Kreditnehmer?
Für sie wird es absehbar teurer. Steigende Zinsen erhöhen die Kosten für Kredite und bremsen so die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflation im Griff zu behalten. Nach Erfahrung von Verbraucherschützern geben Banken und Sparkassen steigende Zinsen vergleichsweise zügig an Kreditnehmer weiter, das gilt auch für Dispozinsen. Die Bauzinsen, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, sind bereits deutlich gestiegen.
Welche Chancen bieten sich für Lebensversicherungskunden?
Die Zinsen am Kapitalmarkt sind bereits in Erwartung einer strafferen Geldpolitik gestiegen. Doch bis Kundinnen und Kunden von Lebensversicherungen davon profitieren, dürfte es noch eine Weile dauern.
Branchenexperten erwarten, dass Lebensversicherer zunächst sogenannte stille Lasten in der Bilanz abbauen, die durch die Zinswende entstehen, statt die Überschussbeteiligung zu erhöhen. Die Überschussbeteiligung, die Versicherungsunternehmen je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu festsetzen, ist ein wichtiger Teil der laufenden Verzinsung von Lebensversicherungen.
Zusammenfassung
- Nach dem Ende der milliardenschweren Anleihenkäufe will die Europäische Zentralbank (EZB) nun erstmals seit elf Jahren wieder die Zinsen erhöhen.
- EZB-Rat beabsichtigt die Leitzinsen im gemeinsamen Währungsraum um jeweils 0,25 Prozentpunkte anzuheben.
- Angesichts der Rekordinflation wird allerdings auch ein größerer Zinsschritt von 0,50 Prozentpunkten nicht ausgeschlossen.