Experten: Unmittelbar bevorstehende Hungersnot in Gaza
Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen - etwa 1,1 Millionen Menschen - ist nach Angaben der sogenannten Integrated Food Security Phase Classification (IPC) in der schlimmsten Notlage. Die Initiative hat ein mehrstufiges System, nach dem es beurteilt, wie viele Menschen wie stark von Hunger betroffen sind. Die höchste Stufe 5 wird mit "Hungersnot-ähnlichen Zuständen" umschrieben. Die IPC-Initiative wird von den Vereinten Nationen genutzt und besteht aus vielen verschiedenen UN-Organisationen und internationalen Hilfsgruppen.
Bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel warben der griechische Ressortchef George Gerapetritis und sein zypriotischer Amtskollege Κonstantinos Kombos für eine Initiative zur Eröffnung eines Seekorridors. Zypern will am 21. März ein Treffen abhalten, an dem mehr als 40 Länder teilnehmen sollen, um die nächsten Schritte bei der Umsetzung eines humanitären Korridors über das Meer für Gaza zu koordinieren.
Im gesamten Gazastreifen ist die Bevölkerung nach Angaben der Experten mit einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Bereits Ende vergangenen Jahres schlugen die Experten Alarm. Zu dem Zeitpunkt waren bereits fast 577.000 Menschen in der höchsten Kategorie.
Sollten die Feindseligkeiten nicht aufhören und humanitäre Hilfe nicht bald in großem Umfang die bedürftigsten Menschen erreichen, drohe im schlimmsten Fall auch für den Rest des Gazastreifens die unmittelbare Gefahr einer künftigen Hungersnot, so die Experten.
Die offizielle Einstufung als Hungersnot bedeutet konkret, dass mindestens 20 Prozent der Bevölkerung von extremem Mangel an Nahrung betroffen sind. Zudem leidet laut IPC dann mindestens jedes dritte Kind unter akuter Mangelernährung. Außerdem kommt es zu mindestens zwei Todesfällen pro Tag pro 10.000 Einwohner, verursacht durch unmittelbaren Hungertod oder durch die Kombination aus Mangelernährung und Krankheiten.
Durch die Erklärung einer Hungersnot wird zwar keine formelle internationale Reaktion ausgelöst - sie gilt aber als größtes Alarmzeichen für den bevorstehenden Tod Zehntausender Menschen. Seit 2010 wurden zwei Hungersnöte von der IPC-Initiative festgestellt - 2011 in Somalia und 2017 im Südsudan. Beide Ereignisse führten zu weitverbreiteter akuter Mangelernährung und zum Tod von Zehntausenden Menschen.
Der extrem eingeschränkte Zugang der humanitären Hilfe zum und innerhalb des Gazastreifens behindere weiterhin die sichere und gerechte Bereitstellung lebensrettender Hilfe, hieß es weiter. Man klage seit geraumer Zeit über schwerwiegende Einschränkungen bei der Lieferung von Gütern und der Grundversorgung. Als Ergebnis verzichten den neuesten Daten des IPC-Berichts zufolge praktisch alle Haushalte täglich auf Mahlzeiten und Erwachsene reduzieren ihre Mahlzeiten, damit Kinder essen können.
Hintergrund der Not im Gazastreifen sind massive Bombardierungen und eine Bodenoffensive Israels in dem Küstengebiet in den vergangenen Monaten. Das Militär Israels reagiert damit auf das schlimmste Massaker in der Geschichte des Landes, bei dem Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden in Gaza mehr als 31.500 Menschen getötet.
Zusammenfassung
- Experten warnen vor einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot im Gazastreifen, die zwischen Mitte März und Mai erwartet wird, besonders im Norden des Gebiets.
- Die humanitäre Krise verschärft sich: 1,1 Millionen Menschen leiden unter schwerster Not, fast 577.000 befinden sich in der höchsten Hungerkategorie der IPC.
- Israels militärische Reaktionen auf Angriffe haben die Lage verschlimmert, während humanitäre Hilfe durch Zugangsbeschränkungen stark eingeschränkt ist.