Ex-Landeshauptmann Niessl: SPÖ hat "Potenzial nach oben"
Niessl ist seit zweieinhalb Jahren nicht mehr Landeshauptmann und hält sich aus der Parteipolitik seither raus, "weil der Sport überparteilich sein soll", erklärte der nunmehrige Präsident von Sport Austria. Als dieser hat er auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik genug Termine und Aufgaben. Die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung im Bereich des Sports funktioniere nun sehr gut: "Ich habe ein gutes Gesprächsklima mit Vertretern der Bundesregierung."
Dass das Verhältnis der burgenländischen SPÖ mit der Bundespartei hingegen unter seinem Nachfolger Hans Peter Doskozil nicht das beste sein dürfte, erklärt Niessl damit, dass "es leider in der Vergangenheit durch verschiedene Äußerungen nicht optimal gelaufen ist". Eine politische Partei bestehe nicht aus einer Meinung, dies wäre für die Demokratie nicht förderlich: "Aber wenn die SPÖ erfolgreich sein will, muss es ein Miteinander geben und man muss Meinungen zulassen, die vielleicht anders sind." Konkret auf mitunter scharfe Aussagen des nunmehrigen Landesparteivorsitzenden Doskozil gegen Rendi-Wagner angesprochen, meinte Niessl: "Es ist ja mit dem Landeshauptmann Doskozil auch nicht sehr fein umgegangen worden in der Vergangenheit. Aber es geht nicht darum, sich gegenseitig Schuld zu geben. Wenn man erfolgreich sein will, muss man gemeinsam in die Zukunft blicken."
Rendi-Wagner soll am 26. Juni wieder Parteivorsitzende werden und "wenn sie wieder gewählt wird, ist sie die Richtige an der Spitze. Ich sehe das ganz pragmatisch: Wer gewählt wird, steht an der Spitze und hat die Aufgabe zu erfüllen." Die SPÖ befinde sich als Oppositionspartei zwar in einer schwierigen Position, aber Niessl verwies auf "Pannen im Zuge der Pandemie" von Türkis-Grün, veröffentlichte Chats, einen Rücktritt in der FPÖ und erklärte: "Die SPÖ hat da durchaus Potenzial nach oben."
Die Aufregung aufgrund seiner rot-blauen Landesregierung 2015 wiederum habe er "mit Gelassenheit" erlebt. Über diese Variante auf Bundesebene brauche man nicht reden, da die FPÖ derzeit mit anderen Themen beschäftigt sei. Niessl betont aber: "Ich war 35 Jahre in der Politik und habe immer gesagt, reden muss man mit allen."
Vom Crash der Commerzialbank Mattersburg und des SVM im vergangenen Sommer hat Niessl, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Politiker, aus den Online-Nachrichten erfahren: "Ich musste es zwei, drei Mal lesen, weil ich mir dachte, das gibt's ja gar nicht." Er habe immer den Eindruck gehabt, die Bank werde gut geführt: "Es gab nie Hinweise auf Malversationen. Daher war ich extrem überrascht, fast geschockt, weil das wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam." Geschäftsverbindungen habe er mit der Bank keine gehabt, Chef Martin Pucher kannte er vom Fußball: "Von einem Menschen, von dem man glaubt, dass er die Bank ordentlich führt und große Erfolge mit dem Fußballverein hat und dann sieht man, wie das ganze System funktioniert hat – enttäuscht ist da ein schwacher Ausdruck."
Als ehemaliger Landeshauptmann des Burgenlandes, das enorm von EU-Förderungen profitiert hat, zeigt sich Niessl als starker EU-Befürworter: "Ich bin überzeugt, dass wir die EU brauchen." Es müsse aber auch Kritik erlaubt sein. Mängel habe es etwa bei der Zulassung für Corona-Impfstoff gegeben. Diskutieren könne man auch das Einstimmigkeitsprinzip: "Ist das noch zeitgemäß oder wird dadurch Tempo reduziert?"
Bei einem anderen Europa-Thema, der anstehenden Fußballeuropameisterschaft, traut Niessl der österreichischen Nationalmannschaft alles vom Ausscheiden in der Vorrunde bis zum Weiterkommen zu: "Da braucht jetzt der Teamchef mit seinem Trainerteam eine wirklich gute Hand, um offene Fragen entsprechend zu beantworten – von der Tormannfrage bis zur richtigen Position für David Alaba, dem Einsatz von Marko Arnautovic bis hin zur Frage, welches System er tatsächlich spielt." Sollte Österreich ausscheiden, drückt Niessl dann Deutschland die Daumen. Gute Chancen auf den EM-Titel wiederum hat seiner Meinung nach Frankreich oder auch Kroatien, da dieses Team bei Turnieren "immer überraschen kann".
Den runden Geburtstag wird Niessl diesmal coronabedingt in mehreren kleinen Runden begehen. Zunächst möchte er aber den nächsten Lockerungsschritt abwarten. Ein Termin ist aber bereits fix, die Landespartei schaut mit Landeshauptmann Doskozil im kleinen Rahmen zur Gratulation vorbei.
Zusammenfassung
- Der ehemalige burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteichef Hans Niessl ortet bei seiner Partei "Potenzial nach oben".
- Um erfolgreich zu sein, müsse die SPÖ den burgenländischen Weg und den Weg der Bundespartei verbinden, dies sei die künftige Aufgabe der Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, zeigte er sich im APA-Interview überzeugt.
- Niessl betont aber: "Ich war 35 Jahre in der Politik und habe immer gesagt, reden muss man mit allen."