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Ex-BVT-Beamte in Amtsmissbrauchsprozess nicht geständig

Ohne den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W. hat am Freitag am Wiener Landesgericht der Amtsmissbrauch-Prozess gegen vier frühere Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen im maßgeblichen Zeitpunkt hohen Vertreter des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) begonnen. W. fehlte krankheitsbedingt. Die Verteidiger der anderen vier Angeklagten wiesen die inkriminierten Vorwürfe vehement zurück.

Den Angeklagten - Ex-BVT-Spionagechef Bernhard P., zwei früheren BVT-Chefinspektoren und einem ehemaligen hohen Vertreter des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) - wird angelastet, einen syrischen General, der ein Gefängnis in Raqqa geleitet haben soll, zum Asylverfahren zugelassen und diesem zum Asylstatus verholfen zu haben, obwohl er nach Informationen der NGO Commission for International Justice and Accountability (CIJA) angeblich Kriegsverbrechen begangen haben soll. Die BVT-Beamten sollen außerdem der Staatsanwaltschaft Wien wesentliche Informationen - etwa über einen Zeugen, der den General belastete - vorenthalten bzw. verspätet übermittelt und auf eigene Faust in Den Haag gegen die CIJA ermittelt haben. "Das hat uns nicht egal zu sein", fasste Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer die Vorgangsweise des BVT zusammen. Das unrechtmäßige Verhalten der Angeklagten untergrabe "das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden in Österreich. Das schadet der Republik".

"Diese Anklage vermag das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die Behörden zu erschüttern. Und sonst gar nix", konterte Klaus Ainedter, der Verteidiger eines früheren BVT-Chefinspektors. Die Anklage sei in Teilen "frei erfunden" und beruhe "größtenteils auf falschen Sachverhaltsannahmen", die "nichts mit der Realität" zu tun hätten. Mit den Anschuldigungen der WKStA verhalte es sich "wie bei der Pippi Langstrumpf, die sich auch ihre eigene Welt zurechtgelegt hat", hielt Ainedter fest: "Das Beweisverfahren wird ergeben, dass es weder eine Manipulation des Asylverfahrens gegeben hat noch eine Verletzung der Berichtspflicht."

"Den Angeklagten gebührt Dank und Respekt für ihre Arbeit. Und keine Anklage", meinte Otto Dietrich, der Verteidiger von Ex-BVT-Spionagechef Bernhard P. Dietrich verlangte Freisprüche. Er verstehe nicht, weshalb die WKStA kein Rechtshilfeersuchen an Isreal gestellt und stattdessen eine Anklage eingebracht habe. Basis für den Umgang des BVT mit dem syrischen General sei nämlich eine Kooperationsvereinbarung mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad gewesen. Dieser sei 2015 mit der Bitte um Amtshilfe an Österreich herangetreten, "weil er dem BVT vertraut hat", wie Dietrich betonte. Der vom syrischen Regime nach Frankreich geflüchtete General sei dort nicht mehr sicher gewesen, daher habe der Mossad ihn in Österreich unterbringen wollen. Im Gegenzug habe Österreich Informationen erhalten, "die wir auf keine andere Weise erhalten hätten können". Solche seien nötig und zur Verhinderung von Anschlägen unabdingbar, hielt Dietrich fest. Sein Mandant, aber auch die übrigen BVT-Beamten hätten sich "tadellos" verhalten, ihr Vorgehen sei von den maßgeblichen Stellen und dem damaligen BVT-Direktor Peter Gridling abgesegnet gewesen.

Die Anklage beruhe "auf einer verfehlten Rechtsansicht" und beweise "völliges Unverständnis" von nachrichtendienstlicher Tätigkeit. Die von der WKStA verlangte Offenlegung der Kooperation mit dem Mossad wäre "gesetzlich verboten" und "Geheimnisverrat" gewesen: "Das BVT ist keine Kriminalpolizei." Es habe daher hinsichtlich der Operation "White Milk" - unter dieser Bezeichnung lief der Deal mit dem Mossad ab - gar keine Berichtspflicht an Anklagebehörden bestanden. Das Asylverfahren für den General sei wiederum "rechtskonform" abgelaufen, behauptete Dietrich: "Er war ein Deserteur. Er war selbstverständlich massiv gefährdet, das Regime (in Syrien, Anm.) war selbstverständlich hinter dem her."

Der Verteidiger des zweiten Ex-Chefinspektors, Martin Riedl, beantragte den Ausschluss der Öffentlichkeit von der gesamten Verhandlung. Ansonsten sei "die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet", befürchtete Riedl. Österreich sei "keine Insel der Seligen" und weiterhin von terroristischen Anschlägen bedroht. Da sei die Nachfolgebehörde des BVT, die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), auf das Vertrauen und die Kooperation anderer Partnerdienste angewiesen. Sollten Details über die seinerzeitigen Abmachungen zwischen dem BVT und dem Mossad coram publico erörtert werden, sei zukünftig mit einer "Kappung von Informationen" zu rechnen.

Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer hatte zuvor den Schöffen die Anklage skizziert. Im Wesentlichen seien es drei Komplexe, wegen derer sich die Angeklagten zu verantworten hätten, alle in Zusammenhang mit dem Vorwurf, sie hätten einen General der syrischen Staatssicherheit in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl verschafft.

Da wäre einmal die Zulassung zum Asylverfahren: Im März 2015 sei ein Beamter des BVT nach Israel gereist, um sich mit Mossad-Vertretern zu treffen - die Geburtsstunde der Operation "White Milk". Ziel dieser Operation sei es gewesen, den General, der sich zum damaligen Zeitpunkt in Frankreich aufhielt und dort auch um Asyl angesucht hatte, nach Österreich zu bringen.

"Dazu braucht man aber natürlich auch jemanden im BFA (Anm: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl)", sagte die Oberstaatsanwältin mit Blick in Richtung des früheren BFA-Spitzenbeamten, der sich in der Verhandlung ebenfalls "nicht schuldig" bekannte, weil aus seiner Sicht für den General eine erhöhte Gefährdungslage gegeben und dessen Zulassung zum Asylverfahren daher berechtigt war. Der BFA-Vertreter soll das BVT laut Anklage beraten haben, wie der General in Österreich an Asyl kommen konnte.

Eigentlich wäre für sein Asylverfahren nämlich Frankreich zuständig gewesen, meinte Oberstaatsanwältin Schmudermayer. Hätte Österreich sich an Frankreich gewandt, so hätten die Franzosen den General zurücknehmen müssen. Mit zwei Ausnahmen, wie zumindest die WKStA-Anklägerin behauptete: Österreich könne ein Verfahren übernehmen, wenn der Antragssteller im Antragsland bedroht ist, nach derartiger Prüfung kann der Antragssteller ein sogenanntes "Selbsteintrittsrecht" erhalten. Die andere Möglichkeit für den General sei nur gewesen, dass Österreich es verabsäume, die französischen Behörden zu informieren. Das sei letztendlich auch geschehen - laut Anklage gezielt, man habe bewusst die Frist verstreichen lassen.

Nachdem Frankreich auch zwei Monate nachdem der General nach Österreich gekommen war, nicht informiert wurde, wurde Österreich für das Verfahren zuständig. Das dürfte Plan der Angeklagten gewesen sein, betonte die Oberstaatsanwältin und verlas einen Chat des früheren BFA-Beamten an den Ex-BVT-Chefinspektor ("Selbsteintritt ein wenig schwierig. Akt bleibt liegen").

Dass der General überhaupt nach Österreich gelangte, dürfte nicht so einfach gewesen sein. So sollen Beamte des BVT Beamten des französischen Nachrichtendienstes DGSI eröffnet haben, den General nach Österreich zu bringen. Dieser durfte nach französischem Recht jedoch das Land gar nicht verlassen, so Schmudermayer. Letzten Endes sollen Beamte des Mossad den Offizier selbst bis an die österreichische Grenze gebracht haben, wo ihn ein BVT-Beamter abgeholt und später ins Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen gebracht haben soll.

Dort "druckt er (der General, Anm.) ihr (gemeint: einer BFA-Beamtin, die das Asylinterview durchführte) ein G'schichtl" und erfinde eine Gefährdungslage in Frankreich, die es so nie gegeben habe, betonte Schmudermayer. Das BVT habe außerdem eine "Gefährderprognose", also eine Bestätigung dafür, dass er keine Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs darstelle, ausgestellt.

Nur dreieinhalb Monate später erhält der Syrer tatsächlich einen positiven Asylbescheid. Obwohl Israel monatlich 5.000 Euro für ihn überwiesen habe, habe er dennoch Grundversorgung in Österreich erhalten, monierte Schmudermayer.

Als zweiten Komplex wirft die WKStA den angeklagten Ex-BVTlern vor, ihre Berichtspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien verletzt zu haben. Als sich im Jänner 2016 die CIJA, eine NGO zur Dokumentation von Kriegsverbrechen in Syrien, ans Justizministerium wandte und darlegte, dass dem General Kriegsverbrechen vorgeworfen würden, sollen Bernhard P. und ein Chefinspektor daneben gesessen sein, nicht aber offen gelegt haben, den syrischen Offizier zu kennen.

Außerdem sollen die Beamten wenige Monate nach Aufnahme des Verfahrens einen Mann vernommen haben, der im selben Gefängnis in Raqqa gearbeitet hatte wie der General und diesen kannte. "So etwas nennen wir einen Zeugen", die Staatsanwaltschaft sei darüber aber nie informiert worden, sagte Schmudermayer. Besagter Zeuge habe in Österreich - im Unterschied zum General - kein Asyl bekommen, da man ob seiner Vergangenheit "höchste Bedanken" gehabt habe, sagte die Oberstaatsanwältin.

Im letzten Anklagekomplex handle es sich um unrechtmäßige Ermittlungen gegen die Commission for International Justice and Accountability (CIJA), so die Oberstaatsanwältin: "Anstatt pflichtgemäß gegen den General zu ermitteln, ermitteln sie gegen die CIJA". So soll eine Beamte des BVT nach Den Haag geschickt worden sein, um dort Fotos des Sitzes der Organisation zu machen. "Wann krieg ich denn deine Touristenfotos aus Den Haag?", schrieb ihr Bernhard P.. Darüber seien aber nie die niederländischen Behörden informiert worden, der Ordner mit den Fotos sei nicht weitergegeben worden und ausschließlich für P. bestimmt, so die Oberstaatsanwältin.

Die Verhandlung wird am Montag mit der Einvernahme des früheren BVT-Spionagechefs Bernhard P. fortgesetzt. Das gegenständliche Verfahren habe dessen "Existenz zerstört, obwohl die Vorwürfe allesamt falsch sind", wie sein Verteidiger zu den persönlichen Verhältnissen seines Mandanten anmerkte. Ob und inwieweit die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen wird, wird sich am Montag zeigen. Vom Landesgericht ist ein Fotografier- und Filmverbot im Großen Schwurgerichtssaal verhängt worden.

Der Verfassungsschutz wurde in Österreich inzwischen neu aufgestellt. Mit 1. Dezember 2021 wurde als Nachfolgerin des BVT die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) installiert. Die beiden früheren BVT-Chefinspektoren sind mittlerweile "aus persönlichen bzw. dienstrechtlichen Gründen" nicht mehr aktiv in der DSN tätig, hieß es von dieser auf APA-Anfrage.

Das Verfahren gegen den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W. wurde vorerst ausgeschieden. Er soll aufgrund einer Erkrankung derzeit nicht verhandlungs- und transportfähig sein, geht aus einem Befund und einem Patientenbrief hervor, der dem Landesgericht vorgelegt wurde. Wann und ob der 59-Jährige überhaupt wieder in den angelaufenen Prozess einbezogen wird bzw. werden kann, ist unklar.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Verteidiger der anderen vier Angeklagten wiesen die inkriminierten Vorwürfe vehement zurück.
  • Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer hatte zuvor den Schöffen die Anklage skizziert.
  • Der BFA-Vertreter soll das BVT laut Anklage beraten haben, wie der General in Österreich an Asyl kommen konnte.
  • Eigentlich wäre für sein Asylverfahren nämlich Frankreich zuständig gewesen, meinte Oberstaatsanwältin Schmudermayer.