EVP-Chef Weber: Orban arbeitet mit Fake News
Orban habe sich in den vergangenen Jahren in atemberaubender Geschwindigkeit radikalisiert, dennoch werde man mit dem ungarischen Ministerpräsidenten aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik weiter reden müssen. Eine Zusammenarbeit mit Parteien, "die gegen Europa sind", die die Ukraine nicht unterstützen wollen und gegen den Rechtsstaat argumentieren, schließt der bayrische Christdemokrat jedoch aus. Orban sei bei allen diesen Punkten "mittlerweile nicht mehr kooperationsfähig", so Weber.
Im Gegensatz dazu sei die EVP die Partei Europas, Christdemokraten hätten dieses Europa aufgebaut. "Das heutige Europa ist nicht perfekt, aber es ist das beste Europa, in dem wir jemals leben durften, und wir werden es gegen diejenigen, die es wegen Nationalismus rückabwickeln wollen, verteidigen", zeigt sich Weber kämpferisch.
Ihm sei wichtig, dass der Rechtsstaat gewahrt werde, sagt der EVP-Chef im Hinblick auf das laufende Artikel 7-Verfahren gegen Ungarn, an dessen Ende ein Stimmrechtsentzug Ungarns drohen würde. "Nicht wir Politiker entscheiden, ob Rechtsprinzipien gebrochen werden", dass obliege unabhängigen Richtern, so Weber. Auch solle der Rechtsstaat nicht als politische Waffen genutzt werden, fordert der EVP-Chef.
Gespräche mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgio Meloni, die auch Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ist, über eine Aufnahme in die EVP, dementiert Weber. Am Montag nach der Europawahl wolle die EVP mit den Sozialdemokraten und den Liberalen Gespräche führen, da die drei großen Parteienfamilien auch eine Verantwortung für Europa hätten. "Wir als EVP stehen für ein Europa der Mitte", sagt Weber.
Seine Erwartungshaltung an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, einen Sozialdemokraten, und an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Partei Renaissance Mitglied der liberalen Renew-Fraktion ist, sei es, dass der Wahlgewinner auch als Kommissionspräsident nominiert werde, so Weber. Alle, die Zweifel daran säen, "dass wir als Europäer in der Mitte zusammenstehen und Europa verteidigen gegen die Nationalisten und Radikalen, die wir in meinem Land haben mit der AfD", beschädige den Grundkonsens in der Mitte, so Weber.
ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka kritisiert in diesem Zusammenhang die FPÖ, die die letzte Partei innerhalb der Rechten sei, die der AfD die Stange halte. AfD und FPÖ seien isoliert und hätten eine besondere Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Jede Stimme für die FPÖ ist eine verlorene, den die können nichts umsetzen", so Lopatka. Die Zusammenarbeit auf Bundesländerebene mit der FPÖ verteidigt Lopatka, auf Bundesebene sei dies aber mittlerweile unmöglich. FPÖ-Chef Herbert Kickl sei mittlerweile "ein engstirniger Nationalist, der viele Weltverschwörungstheorien quasi zum Programm erhoben hat". Die FPÖ habe zwei Mal im Nationalrat den Antrag eingebracht, die EU-Beitrittszahlungen auszusetzen, und eine Woche nach dem Brexit den Austritt Österreichs angestrebt. "Da kann ich nur sagen, mit unserem Wohlstand, mit unserer Sicherheit spielt man nicht russisches Roulette", so Lopatka.
Den Green Deal verteidigt Weber, fordert allerdings ebenso wie Lopatka Technologieoffenheit. Dass 2035 kein Auto mehr CO2 emittieren dürfe, unterstütze er weiterhin, so Weber, doch "den industriepolitischen Fehler" eine Technik zu verbieten, wie den Verbrennermotor, "werden wir rückgängig machen", wenn wir die notwendigen Mehrheiten finden, so Weber. Lopatka kritisiert diesbezüglich, dass es von grüner Seite hier zu viel planwirtschaftliches Denken gebe. Entscheidend sei, wie man die Marktwirtschaft stärken könne, so Lopatka. Weber spricht sich zudem für eine "massive globale Klimadiplomatie" in der kommenden Legislaturperiode aus, den ohne China und die USA werde man den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen können, wenn man sich die Emissionsanteile Europas anschaue.
Bedauern äußert Weber darüber, dass Europa im israelisch-palästinensischen Konflikt eine zu geringe Rolle spiele, weil es nicht mit einer Stimme spreche. Der EVP-Chef kritisiert diesbezüglich auch das Vorpreschen einiger EU-Staaten, die Palästina anerkannt hatten, ohne dass es eine Friedenslösung gebe.
Lopatka verteidigt indes die Blockade Österreichs gegenüber einem Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien als einen Hilferuf und erinnert daran, dass auch Deutschland den österreichischen Schengen-Beitritt drei Jahre lang verhindert habe. Er sei aber froh, dass der erste Schritt mit Air Schengen, dem Wegfall von Einreisekontrollen im Flug- und Schiffsverkehr, mit beiden Ländern gelungen sei. "Für uns ist dieser massive Außengrenzschutz, diese tatsächliche Lösung der illegalen Migration ein Schlüsselthema und dem ordnen wir dann andere Fragen unter", so Lopatka.
Kritik äußert Weber in diesem Zusammenhang am sozialdemokratischen EU-weiten Spitzenkandidaten Nicolas Schmit, der die Migrationsabkommen mit Tunesien, Ägypten und dem Libanon nun kritisiere, obwohl er diese als Kommissionsmitglied selbst mit beschlossen habe. Auch wolle man sich nicht weiter von Putin erpressen lassen, der Flüchtlinge aus dem Irak an die Grenze zu Nordfinnland geflogen habe, das Schließen der finnisch-russischen Grenze sei daher richtig. Zwar bleibe das Asylrecht und die Flüchtlingskonvention aufrecht, "aber die Menschen, die Schutz bekommen, haben kein Recht, sich das Land auszusuchen, indem sie Schutz gewährt bekommen", so Weber. Alles was helfe, die Schleppermafia zu stoppen, sei willkommen. Diesbezüglich sei der beschlossene europäische Asyl- und Migrationspakt "ein Meilenstein".
Zusammenfassung
- Manfred Weber, Chef der EVP, wirft Viktor Orban vor, mit Fake News zu arbeiten und weist die Vorwürfe einer europäischen Wehrpflicht strikt zurück.
- Weber kritisiert Orbans Radikalisierung und mangelnde Kooperationsfähigkeit in der EU, betont aber die Notwendigkeit des Dialogs aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips.
- Die EVP plant keine Zusammenarbeit mit Parteien, die gegen Europa sind, und betont die Verteidigung des europäischen Rechtsstaats.
- ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka kritisiert die FPÖ wegen ihrer Nähe zur AfD und zu Russland und verteidigt die Blockade Österreichs gegenüber dem Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien.
- Weber und Lopatka verteidigen den Green Deal, fordern aber Technologieoffenheit und betonen die Notwendigkeit einer globalen Klimadiplomatie.