EU-Wahl - Grüne Reintke warnt vor europakritischen Allianzen
Die EVP, der auch die ÖVP angehört, habe sich mit ihrer Ablehnung des EU-Renaturierungsgesetzes sogar gegen die eigene Kommissionspräsidentin gestellt. Für Reintke ist die zentrale Frage, die die Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl entscheiden müssen: "Wollen wir weiter auf diesem Pfad von pro-europäischen, demokratischen Mehrheiten gehen, wo man versucht, konstruktiv Probleme zu lösen? Wenn Leute mit am Tisch sitzen, die die EU abschaffen wollen, wird das nicht mehr möglich sein."
Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das Teil des von Ursula von der Leyens initiierten Europäischen Green Deals ist, wurde nach langem Tauziehen am Dienstag mit knapper Mehrheit und einem Teil der EVP-Abgeordneten vom EU-Parlament angenommen. Dass ihre Landsfrau für eine weitere Amtsperiode kandidiert, findet die Deutsche nicht überraschend. "Überraschend ist, wie die eigene Partei sie frontal angreift. Es gibt Kräfte in der EVP, die den Green Deal zurückdrehen wollen, die ein europakritischeres Profil wollen."
Diese würden bei einem von vielen Umfragen vorausgesagten Rechtsruck massiv gestärkt werden. Reintke zeigt sich bereit, von der Leyen zu unterstützen: "Wir haben als Grüne klargemacht, dass wir nicht zum Nulltarif für eine Mehrheitsbildung zur Verfügung stehen, aber wir sind gesprächsbereit." Sie stelle die "Frage, wie wir den Green Deal weiterbauen können, sowohl aus klimapolitischer wie aus umweltpolitischer Sicht. Ein Zickzackkurs wäre katastrophal, auch für unsere Unternehmen." Wichtig sei eine "Transformation, die alle mitnimmt".
Die Politologin fordert soziale Maßnahmen von den Mitgliedstaaten, aber auch Investitionen: "Wir brauchen ein großes europäisches Investitionsprogramm, um den Green Deal wirklich umsetzen zu können. China oder die USA investieren massiv in die grüne Transformation. Wenn man klug gemeinsam europäisch investiert, kann man auch viele Arbeitsplätze schaffen." Sie fordert etwa mehr finanziellen Spielraum bei den erst kürzlich beschlossenen EU-Schuldenregeln: "Eine schwarze Null bringt mir nichts, wenn ich dadurch meine gesamte Schwerindustrie kaputt gespart habe."
Am wichtigsten ist für Reintke aber, dass die EU "in einer unsicheren Welt mit Leuten wie (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin", aber auch bei einem möglichen Wahlsieg von Donald Trump in den USA im Herbst handlungsfähig bleibe. "Jeder Mitgliedstaat kann gerade in außen- und sicherheitspolitischen Fragen die gesamte EU blockieren." Auch bei der Erweiterungsdebatte könne man das nicht zulassen. Ungarns Präsident Viktor Orbán hatte mehrfach Entscheidungen mit seinem Veto blockiert, unter anderem zum Start von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine.
"Wir brauchen darum eine institutionelle Weiterentwicklung und gerade bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips", so die grüne Spitzenkandidatin. Was Orbán betrifft, fordert sie eine Weiterführung des gegen Ungarn laufenden Artikel-7-Verfahrens wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit, und in "letzter Konsequenz den Stimmrechtsentzug".
Die Parlamentarierin hofft auf ein "klares Zeichen" gegen rechts bei der Europawahl: "In den schwierigen Zeiten, in denen wir leben, müssen wir eng zusammenarbeiten."
Die Deutsche sitzt seit 2014 im Europäischen Parlament. Beim Wahlkongress der Grünen wurde sie im Februar zusammen mit dem Niederländer Bas Eickhout zum Spitzenkandidaten-Duo der Europäischen Grünen für die Europawahlen im Juni gewählt. Die Grünen stellen traditionell zwei Kandidierende auf.
(Das Gespräch führte Franziska Annerl/APA)
Zusammenfassung
- Die Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke warnt vor möglichen Allianzen der EVP mit europakritischen Parteien und betont die Notwendigkeit konstruktiver Abgeordneter im EU-Parlament.
- Reintke unterstützt den Green Deal und fordert ein großes europäisches Investitionsprogramm, um die grüne Transformation voranzutreiben und soziale Maßnahmen sowie Arbeitsplätze zu schaffen.
- Sie plädiert für eine institutionelle Weiterentwicklung der EU, insbesondere die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, um Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.