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EU-Gipfel zu Weißrussland, Berg-Karabach und Türkei

Nach der Verschiebung des EU-Gipfels um eine Woche wegen eines Covid-Falls im Umfeld von EU-Ratspräsident Charles Michel treffen sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nun am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Auf der Agenda stehen die Beziehungen zu China, die Wettbewerbsfähigkeit der EU und die aktuelle Krisen in Weißrussland, im östlichen Mittelmeer aufgrund der Erdgassuche der Türkei und der wiederaufgeflammte Konflikt in Berg-Karabach.

Im Fall von Weißrussland, wo es seit der gefälschten Präsidentschaftswahl vom 9. August Massenproteste gegen Staatschef Alexander Lukaschenko gibt, dürfte es vor allem darum gehen, Zypern dazu zu bewegen, den Sanktionsbeschluss der EU nicht länger zu blockieren. Im August hatten die EU-Außenminister Sanktionen gegen Verantwortliche für die Fälschung der Präsidentschaftswahl und Gewalt gegen Demonstranten beschlossen. Seitdem wurde eine Liste mit mehr als 40 Betroffenen ausgearbeitet, die aber nicht in Kraft gesetzt werden kann, weil Zypern blockiert und im Gegenzug auch Sanktionen gegen die Türkei einforderte.

Die EU hatte der Türkei wegen der Erdgas-Erkundungen Ende August ein Ultimatum gesetzt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht. Wenn es keine Fortschritte gebe, soll beim EU-Sondergipfel eine Liste weiterer Strafmaßnahmen diskutiert werden, hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell angekündigt. Die EU-Staaten Griechenland und Zypern auf der einen und die Türkei auf der anderen Seite werfen sich gegenseitig die Verletzung ihrer Hoheitsrechte und damit den Bruch internationalen Rechts vor. Beide Seiten führen nach Einschätzung von Experten gewichtige Argumente für ihre Position an.

Beim Gipfel werde es nun darum gehen, einerseits Solidarität mit Griechenland und Zypern zu demonstrieren, andererseits auch darum den Dialog mit der Türkei aufrechtzuerhalten. Dies werde ein "Balanceakt" hieß es aus Ratskreisen gegenüber der APA. Dabei solle aber vor allem vermieden werden, dass es unterschiedliche Standards bei der Verhängung von Sanktionen gegenüber Weißrussland und der Türkei gebe. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte zuletzt im EU-Hauptausschuss des Nationalrats gemeint, er werde sich für Sanktionen gegenüber der Türkei einsetzen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte als Regierungschefin des derzeitigen EU-Vorsitzlandes zuletzt auf diplomatische Verhandlungen mit Griechenland, Zypern und der Türkei. Wichtig seien nachhaltige Fortschritte, im Dialog zwischen Griechenland und der Türkei gebe es diese, noch aber nicht zwischen Zypern und der Türkei, sagte ein Sprecher Michels am Mittwoch.

Die Türkei spielt außerdem eine Rolle im zuletzt wiederaufgeflammten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in Berg-Karabach. Der EU-Gipfel dürfte hier alle Seiten, also auch die Türkei als Verbündeter Aserbaidschans und Russland als Schutzmacht Armeniens, zum Dialog und zur Deeskalation aufrufen, hieß es aus informierten Kreisen. Im Vorfeld sprach Michel mit dem armenischen Premierminister Nikol Paschinian und dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. Am Mittwoch betonte jedenfalls der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, dass die Türkei zu militärischer Hilfe für Aserbaidschan bereit sei.

Auch die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny soll beim Gipfel thematisiert werden. Hier werde Russland aufgefordert, mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) im Rahmen einer internationale Untersuchung zusammenzuarbeiten. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es am Mittwoch, dass Sanktionen gegenüber Russland bei diesem EU-Gipfel noch kein Thema sein dürften. Das Dauerthema Brexit dürfte hingegen diesmal nur am Rande besprochen werden, der Europäische Rat werde sich damit später im Oktober eingehender beschäftigen, sagte ein Sprecher Michels am Mittwoch.

Das ursprüngliche Hauptthema des Gipfels, "die Rolle Europas in der Welt und unsere Fähigkeit unser eigenes Schicksal zu bestimmen", wie es im Einladungsbrief Michels heißt, steht am Donnerstagnachmittag auf der Agenda. Zunächst gibt es um 15.00 Uhr einen traditionellen Meinungsaustausch mit dem Präsidenten des Europaparlaments David Sassoli. Im Anschluss wollen die Staats- und Regierungschefs die Beziehungen zur Volksrepublik China diskutieren, im Anschluss an die EU-China-Videokonferenz vom 14. September. EU-Kreisen zufolge dürfte der Ansatz der EU-Spitzen und von Merkel für einen Dialog und Kooperation mit China, bei zeitgleicher Betonung der notwendigen Reziprozität beim Marktzugang für europäische Firmen sowie der Bedeutung von Hongkong und Menschenrechtsfragen, auf Zustimmung im Rat stoßen.

Ein weiteres Thema ist die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Hier gelte es nach der Schnürung des Corona-Hilfspakets im Sommer die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die europäischen Unternehmen langfristig erholen und global wettbewerbsfähig bleiben können. Einige Staaten könnten auch auf die Reform des EU-Wettbewerbsrechts drängen, wie das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon angekündigt hatte. Auch eine Reform des Beihilfenrechts solle angedacht werden, hieß es aus Ratskreisen.

ribbon Zusammenfassung
  • Auf der Agenda stehen die Beziehungen zu China, die Wettbewerbsfähigkeit der EU und die aktuelle Krisen in Weißrussland, im östlichen Mittelmeer aufgrund der Erdgassuche der Türkei und der wiederaufgeflammte Konflikt in Berg-Karabach.
  • Wichtig seien nachhaltige Fortschritte, im Dialog zwischen Griechenland und der Türkei gebe es diese, noch aber nicht zwischen Zypern und der Türkei, sagte ein Sprecher Michels am Mittwoch.