EU beendet Rechtsstaatlichkeits-Verfahren gegen Polen
Das Verfahren war 2017 wegen der Justizreformen der damaligen rechtsnationalen polnischen Regierung eingeleitet worden. Nach einer Überprüfung der jüngsten Reformen, die die neue, proeuropäische polnische Regierung unter Donald Tusk durchgeführt hat und durchführen will, schlug die Kommission die Einstellung des Verfahrens vor. Als Beispiel nannte EU-Justizkommissar Didier Reynders Maßnahmen zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Justizsystems. Beim Ministertreffen vorige Woche hatte nur Ungarn Einwände gegen die Einstellung erhoben. Ungarn ist nun das letzte Land, gegen das ein Artikel-7-Verfahren läuft.
Polen habe eine Reihe legislativer und nichtlegislativer Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit des Justizsystems auszuräumen, so die Kommission in einer Mitteilung vom Mittwoch. Das Land habe den Vorrang des EU-Rechts anerkannt und wolle alle Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit umsetzen.
"Heute ist ein wichtiger Tag für die Rechtsstaatlichkeit in Polen und in der Europäischen Union. Wir werden weiterhin mit den polnischen Behörden zusammenarbeiten, um sie bei ihren Bemühungen zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen", erklärte Kommissions-Vizepräsidentin Věra Jourová. Sie hatte vorige Woche betont, dass die Einstellung des Verfahrens nicht bedeute, das Polen gar nicht mehr überwacht werde. Als Beispiel nannte sie den jährlichen Bericht zur Rechtsstaatlichkeit der EU-Kommission. Der nächste soll Anfang Juli veröffentlicht werden.
Auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte sich klar für die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen, und die Fortschritte Polens betont. Als Beispiel nannte sie den Beitritt des Landes zur europäischen Staatsanwaltschaft. Die Vertreter Polens hatten den Europaministerinnen und -ministern der EU bereits bei ihrem Treffen im Februar in Brüssel einen Aktionsplan mit Maßnahmen präsentiert.
Polen war 2017 der erste Staat, gegen den die EU-Kommission ein Artikel-7-Verfahren gestartet hatte. Das Verfahren kann zu einem Aussetzen der Rechte der EU-Mitgliedschaft führen, wie einem Entzug der Stimmrechte in den Ministerräten. Die derzeitige belgische Ratspräsidentschaft hatte ursprünglich vor, die Artikel-7-Verfahren gegen Polen und Ungarn erst Ende Juni zu behandeln. Laut EU-Diplomaten wollte sie Warschau genügend Zeit für die geforderten Reformen geben. Nun steht nur noch Ungarn auf der Agenda. Ministerpräsident Viktor Orbán wird vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungsfreiheit einzuschränken und Korruption zu fördern.
Zusammenfassung
- Die Europäische Kommission hat das Artikel-7-Verfahren gegen Polen eingestellt, das 2017 wegen Justizreformen der damaligen polnischen Regierung eingeleitet wurde.
- Polen hat Maßnahmen zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Justizsystems ergriffen und den Vorrang des EU-Rechts anerkannt, was zur Einstellung des Verfahrens führte.
- Ungarn war das einzige Land, das Einwände gegen die Einstellung des Verfahrens erhoben hat. Nun ist es das letzte Land, gegen das ein Artikel-7-Verfahren läuft.