Erneut Zehntausende bei Demo gegen Lukaschenko
Der Machtapparat zog Hundertschaften von Polizei und Armee zusammen, um den Massenprotest zu verhindern. Beobachter sprachen von mehr als 50.000 Teilnehmern - das sind weniger als zuletzt. Der 66-jährige Lukaschenko hatte gefordert, härter gegen seine Kritiker vorzugehen. Der Politologe Waleri Karbelewitsch meinte, dass die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten und das "Anziehen der Daumenschrauben" allgemein die Ängste in der Gesellschaft verstärken sollten. Dass nun weniger Menschen kamen, könnte demnach Folge dieses Kurses sein.
Seit der Präsidentenwahl am 9. August kommt es in Weißrussland täglich zu Protesten. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren im Amt zum Wahlsieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin.
Am Palast der Republik standen mit Sturmgewehren bewaffnete Soldaten in Kampfuniformen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Der Platz vor dem Palast war wie der Unabhängigkeitsplatz mit Metallgittern umstellt. Auch in Seitenstraßen des Prospekts der Unabhängigkeit bezogen Truppen der Miliz, wie sie in Weißrussland heißen, und des Militärs Stellung. Auf dem Prospekt bewegte sich eine Kolonne starker Kräfte mit Panzertechnik. Das stärkste Aufgebot an Einsatzkräften gab es wie an den vorherigen Sonntagen am Präsidentenpalast.
Machthaber Lukaschenko hatte sich dort zuletzt auch zweimal mit einer Kalaschnikow gezeigt, um eine Erstürmung des Palastes zu verhindern. Die Proteste sind stets friedlich. Die Behörden sperrten am Sonntag Metrostationen in der Innenstadt, um so den Zustrom von Menschen zu verhindern. Auch das mobile Internet funktionierte nicht. Die Menschen strömten zu Fuß aus verschiedenen Richtungen ins Zentrum.
Auch in anderen Städten kam es zu Protesten, darunter in Brest, Grodno, Gomel, Witebsk und Chodino. Auf Fotos und Videos im Nachrichtenkanal Telegram, über den die Proteste organisiert werden, waren brutale Festnahmen schutzloser Bürger zu sehen.
"Es lohnt sich, um die Freiheit zu kämpfen. Habt keine Angst, frei zu sein!", ließ die inhaftierte Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa mitteilen. Die 38-Jährige hatte die Proteste gegen Lukaschenko mit angeführt, bevor sie vor zwei Wochen entführt worden war und dann in Haft kam. Sie meinte, dass sie nichts bereue.
Zusammenfassung
- Trotz eines Aufmarschs von Soldaten in Kampfuniform und mit Sturmgewehren haben Zehntausende in Weißrussland den sechsten Sonntag in Serie den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko gefordert.
- - zu Deutsch: "Hau ab!"
- - skandierten sie in der Hauptstadt Minsk auf der Straße "Prospekt der Sieger" und an einem Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs.
- Seit der Präsidentenwahl am 9. August kommt es in Weißrussland täglich zu Protesten.