EGMR fordert Freilassung von türkischem Oppositionspolitiker
Die Türkei müsse Demirtas zudem insgesamt 60.400 Euro zahlen, für Vermögensschäden, immaterielle Schäden sowie Ausgleich für Kosten und Ausgaben, so das Urteil. Der Anwalt des Politikers, Mahsuni Karaman, nannte die Entscheidung "historisch". Sie sei endgültig und verbindlich und Demirtas müsse sofort freigelassen werden, schrieb er auf Twitter. Damit sei zudem registriert worden, dass sein Mandant "vier Jahre lang aus politischen Gründen als Geisel gehalten wurde."
Demirtas (47) ist ehemaliger Vorsitzender der prokurdischen Partei HDP. Anfang November 2016 waren er und seine damalige Co-Chefin Figen Yüksekdag verhaftet worden. Zuvor war die Immunität von Demirtas als Abgeordneter aufgehoben geworden. Gegen den Politiker laufen zahlreiche Prozesse. Im sogenannten Hauptverfahren ist Demirtas unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation angeklagt.
Demirtas's Inhaftierung während des Referendums für ein Präsidialsystem in der Türkei 2017 und der Präsidentschaftswahlen 2018 habe den konkreten Zweck gehabt, Pluralismus zu unterdrücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken, erklärte der EGMR nun in seinem Urteil.
Bereits 2018 hatte das Straßburger Gericht die Freilassung des Politikers angeordnet, weil die lange Untersuchungshaft ungerechtfertigt sei. Die Türkei setzte das Urteil aber nicht um. Der Fall landete vor der Großen Kammer des EGMR, also vor der höchsten Instanz des Straßburger Gerichts.
Inzwischen liegt auch ein neuer Haftbefehl gegen Demirtas vor. Ein diesbezüglicher Antrag des Politikers beim Verfassungsgericht in Ankara ist nach Angaben des Gerichts noch anhängig. Die Türkei als Mitglied des Europarats muss Urteile des EGMR umsetzen.
Zusammenfassung
- Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die sofortige Freilassung des prokurdischen Politikers Selahattin Demirtas aus der Haft in der Türkei angeordnet.
- Das entschied die Große Kammer des Straßburger Gerichts am Dienstag.
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Freiheit und Sicherheit seien unter anderem verletzt worden, urteilte das Gericht.
- Die Türkei als Mitglied des Europarats muss Urteile des EGMR umsetzen.