Deutschland nach der Wahl
Union sieht SPD-Koalition als "letzte Patrone der Demokratie"
Bei der Analyse nach der geschlagenen Bundestagswahl in Deutschland sind sich die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei einig.
Das starke Abschneiden der AfD sei ein "letztes Warnzeichen" an die "Parteien der Mitte", formulierte Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) am Montag in Berlin.
Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fand in München noch drastischere Worte. Er sprach von einer "letzten Patrone der Demokratie", die man nun einsetzen müsse.
Beide wollen diese "Patrone" mit einer Koalition mit der SPD finden, die Merz bis Ostern zustande bringen will. "Genau das ist das, was wir auch wollen", sagte er. Er wolle noch am Montag Gespräche mit der SPD aufnehmen.
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Merz wiederholte die Phrase, dass man der AfD das Handwerk legen könne, wenn man nur die "Probleme" dieses Landes löse. Er nannte Migration und Wirtschaft, den Industriestandort, als die wichtigsten Themen dafür.
Söder am Sonntag in Berlin
Zumindest Söder merkte am Rande an, dass man keinen Sozialabbau betreiben dürfe. Auch wenn er das Bürgergeld reduzieren will, sprach er zumindest Pflege und Wohnbau an.
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Beide verwiesen besorgt auf den Osten Deutschlands, obwohl die AfD teils auch im Westen starke Gewinne verbuchte. "Wir sind euch im Westen nur zwei Jahre voraus", werde er von Parteikollegen im Osten gewarnt, zeigte sich Merz besorgt.
Außenpolitik, Migration, Wirtschaft
"Als Demokrat" habe er kein Interesse daran, wenn die SPD "zerstört" werde, versuchte er, nun versöhnliche Worte in Richtung der Roten zu finden.
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Merz zeigte sich überzeugt, dass die SPD als Partei der Arbeitnehmer:innen Interesse daran habe, Arbeitsplätze in der Industrie zu erhalten. Er verwies auf die VW-Stadt Wolfsburg, die die SPD an die CDU verloren hat.
Merz zeigte sich auch zuversichtlich, dass man mit der SPD über Migration reden könne. Zuletzt gab es allerdings erhebliche Meinungsunterschiede, was die Zurückweisung an den Grenzen angeht. Die SPD hält dies für nicht mit dem Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar.
Am Montag blieb Merz noch bei seiner Forderung. Zumindest bis Sommer 2026, bis das Gemeinsame Europäische Asylsystem in Kraft tritt, wolle er an den Grenzen zurückweisen.
Auftrag aus Bayern
Einen Auftrag für eine harte Migrationspolitik erhielt Merz auch aus Bayern. Söder betonte genüsslich, dass die CSU "das beste Ergebnis der gesamten Union in Deutschland" eingefahren habe.
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Dass die AfD auch in Bayern zulegen konnte, wo Söder einen Migrationswahlkampf führte, erklärte er mit der Migrationspolitik unter Angela Merkel. Mit diesem Kapitel müsse man nun "abschließen".
Seine Strategie bleibt es wohl, Themen und Wording der AfD zu übernehmen. Söder sprach sich gegen ein Verbrenner-Aus, gegen "Wokeismus" und den angeblichen Einfluss von NGOs in grünen Ministerien aus.
Merz werde er weiter unterstützen, mit der SPD könne eine "Rückkehr zum alten Deutschland" gelingen, so Söder.
SPD: Neuanfang mit altem Personal
Dass eine Regierungsbildung schnell gehen könnte, stellte die SPD aber gleich in Abrede. Man müsse sich programmatisch und personell neu aufstellen, sagte die Parteispitze am Montag in Berlin.
Lars Klingbeil und Olaf Scholz.
Das Führungspersonal bleibt aber vorerst: Kanzler Olaf Scholz sagte schon am Sonntag, dass er die Verhandlungen mit der CDU nicht führen wolle, im Bundestag bleibe er aber nach seiner Kanzlerschaft. SPD-Chef Lars Klingbeil will am Mittwoch für den Fraktionsvorsitz kandidieren. SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken schloss einen Rückzug ebenfalls aus.
In Richtung Union sagte Klingbeil am Montag, dass er keine schnelle Regierungsbildung seiner Partei mit der Union und Merz sehe. Merz habe die Gräben in den letzten Wochen im Wahlkampf "vertieft". Es werde "spannend", wie sich Merz eine Zusammenarbeit vorstelle. Die SPD-Basis müsste am Ende einer Koalition zustimmen.
Merz wiederum meinte, er könne der SPD vertrauensvolle und konstruktive Gespräche anbieten. Über die Öffentlichkeit wollte er keine einzelnen Themen ansprechen.
Geringstes Problem Außenpolitik
Das geringste Problem dürfte bei allen Differenzen - etwa bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine - noch die Außenpolitik werden. Söder und Merz fahnden lobende Worte für Verteidigungsminister Boris Pistorius, der ja als möglicher Scholz-Nachfolger im Raum steht.
Scholz sagte bei seiner Rede am Montag, dass es ihm wichtig sei, dass die Ukraine weiter unterstützt werde. Auch Merz und Söder fanden diesbezüglich scharfe Worte in Richtung Donald Trump und seines möglichen Deals mit Russland über die Köpfe der Ukraine hinweg.
International sorgte Merz mit Aussagen für Aufsehen, wonach sich Europa darauf einstellen müsse, sich selbst verteidigen zu können, wenn sich die USA zurückziehen.
Ein größeres Problem könnte sein, dass CDU und CSU die von der "Ampel" eingeführte Reform des Wahlrechts wieder rückgängig machen wollen. 15 Wahlkreisgewinner der CDU und drei der CSU schafften wegen des neuen Wahlrechts den Einzug in den Bundestag nicht.
Regierungsbildungen können in Deutschland manchmal recht lange dauern. Fast ein halbes Jahr verging nach der Bundestagswahl 2017, bevor das schwarz-rote Kabinett der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. März 2018 vereidigt wurde. "Die Welt wartet nicht auf uns, sie entwickelt sich rasant weiter", sagte Merz allerdings am Wahlabend.
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"Auf Duo Merz-Pistorius genauer schauen"
"Presse"-Korrespondent David Freudenthaler im Interview.
Zusammenfassung
- Friedrich Merz will eine Koalition mit der SPD bilden und bekommt dabei gleich Wünsche aus Bayern aufgetragen.
- Einfach dürfte das nicht werden: Die SPD will sich erst neu aufstellen, das Spitzenpersonal bleibt aber vorerst und sieht "tiefe Gräben" zwischen ihr und der Union.
- Regierungsbildungen können in Deutschland manchmal recht lange dauern. Fast ein halbes Jahr verging nach der Bundestagswahl 2017, bevor das schwarz-rote Kabinett der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. März 2018 vereidigt wurde.