Deutsches Verfassungsgericht erhöht Rundfunkbeitrag
Das Karlsruher Gericht sah davon ab, den Beitrag rückwirkend zum Jahresbeginn zu erhöhen. Die Auswirkungen der unterbliebenen Beitragsanpassung auf die Rundfunkanstalten müssen dem Beschluss zufolge nun in dem staatsvertraglich vereinbarten Verfahren erfolgen. Damit sind nun eine neue Stellungnahme der unabhängigen Kommission KEF, die den Beitrag ermittelt und ein neuer Staatsvertrag nötig.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte den Gesetzentwurf im Dezember vor der Abstimmung im Landtag zurückgezogen, weil sich abzeichnete, dass seine Partei - anders als die Koalitionspartner SPD und Grüne - die Erhöhung nicht mittragen würden. Und mit der AfD, die als Kritikerin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bekannt ist, wollte der Regierungschef keine gemeinsame Sache machen. Weil aber alle 16 deutschen Landesparlamente zustimmen müssen, war die Erhöhung blockiert. Am 26. September wird in Deutschland ein neues Parlament gewählt.
Für öffentlich-rechtliche Sender ist der Rundfunkbeitrag die Haupteinnahmequelle. Seit 2013 wird er je Wohnung erhoben und betrug zuletzt 17,50 Euro pro Monat. Zum Jahreswechsel hatte er auf 18,36 Euro steigen sollen. Es ist nun die erste Erhöhung seit 2009. Mit ihr soll eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2024 ausgeglichen werden.
"Die Entscheidung versetzt uns in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmögliche Programm für die Menschen zu machen", sagte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow. Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags müsse frei von politischen Interessen erfolgen. Auch der Deutsche Journalisten-Verband reagierte erleichtert auf die Entscheidung. Als das Gericht kurz vor Weihnachten Eilanträge zurückgewiesen hatte, kündigten ARD und Deutschlandradio Sparmaßnahmen für die Häuser an.
In Zeiten "vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits" wachse die Bedeutung des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, entschied der Erste Senat unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth mit dem nun veröffentlichten Beschluss vom 20. Juli. Die Sender sollten die Wirklichkeit durch "authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten" unverzerrt darstellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund rücken. So bildeten sie ein "vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht".
Der Gesetzgeber sei verantwortlich, dass auch die finanziellen Voraussetzungen für diese Aufgaben gegeben sind. "Erfüllt ein Land seine Mitgewährleistungspflicht nicht und wird dadurch die Erfüllung des grundrechtlichen Finanzierungsanspruchs unmöglich, liegt bereits darin eine Verletzung der Rundfunkfreiheit", hieß es.
Sachsen-Anhalt hatte angeführt, sich seit Jahren unter den Ländern vergeblich um eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bemüht zu haben. Das rechtfertigt laut Gericht aber nicht, einem mit allen Ländern vereinbarten Vertrag nicht zuzustimmen.
Medienpolitik ist in Deutschland in erster Linie Ländersache. Damit neue Regelungen in Kraft treten, bedürfe es derzeit mangels anderer Vereinbarung immer wieder erneut der Zustimmung aller Länder, betonte das Gericht. Hält ein Land eine Abweichung vom durch die KEF festgestellten Bedarf für erforderlich, sei es Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder darüber herbeizuführen. "Das ist nicht gelungen."
Den Rundfunkanstalten steht laut Beschluss eine "kompensierende Mehrausstattung" zu. Das müsse der Gesetzgeber bei der nächsten Festsetzung des Rundfunkbeitrags berücksichtigen. Der Mehrbedarf, der durch verschobene Investitionen und Reserven entstanden ist, sei hier ebenso in den Blick zu nehmen wie etwaige Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Finanzbedarf der Sender sowie die Zumutbarkeit von Beitragserhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger.
Zusammenfassung
- Das deutsche Verfassungsgericht hat die von Sachsen-Anhalt blockierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorläufig in Kraft gesetzt.
- Das Bundesland habe die Rundfunkfreiheit im Grundgesetz verletzt, weil es einem Staatsvertrag nicht zugestimmt habe, entschied das Gericht nach Angaben vom Donnerstag.
- Zum Jahreswechsel hatte er auf 18,36 Euro steigen sollen.
- Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags müsse frei von politischen Interessen erfolgen.