Caritas fordert nachhaltigere Hilfe gegen Teuerung
Jene Menschen, die schon vor der Krise zu wenig Geld hatten, würden von den aktuellen Preissteigerungen besonders stark getroffen. Gleichzeitig würden sich aber immer mehr Menschen an die Sozialberatungsstellen der Caritas wenden, die bisher ohne Unterstützung zurechtgekommen sind. Allein in Wien sei die Zahl der Beratungen um die Hälfte gestiegen. Bei den Caritas-Lebensmittelausgabestellen LEO würden nach 17 Tonnen pro Woche im Vorjahr mittlerweile 26 Tonnen wöchentlich ausgegeben. Wegen des Andrangs musste die Ausgabemenge pro Haushalt deutlich reduziert werden, es gab einen Aufnahmestopp für neue Bezieher. Es sei noch kein Erdbeben, aber der Seismograph schlage bereits aus, warnte der geschäftsführende Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner. Die Caritas habe ihr Angebot deshalb ausgebaut.
Die Rückmeldungen aus den Beratungsstellen decken sich mit den Ergebnissen der SORA-Studie. Einige davon hätte er nicht für möglich gehalten, so SORA-Forscher Christoph Hofinger bei der Präsentation. Mehr als die Hälfte der Befragten (1.011 persönliche Interviews von September bis Anfang Oktober) macht sich wegen der Teuerung Sorgen, die Wohnung warm halten zu können. 41 Prozent fürchten, sich bei weiteren Preissteigerungen verschulden zu müssen. Im untersten Einkommensdrittel sind es gar 72 Prozent.
Fast zwei Drittel sparen bereits bei Urlaub, Freizeit und Kultur - mit einem möglichen Domino-Effekt in den betroffenen Branchen, so Hofinger. Ein Drittel der befragten Eltern spart schon bei der Förderung ihrer Kinder. In den offiziellen Statistiken sei es noch nicht abzulesen, aber "die Not nimmt zu", fasste Parr zusammen.
Die bisherigen Maßnahmen der Regierung würden zwar kurzfristig helfen. Längerfristig verpufften sie aber und sie könnten auch keine Zunahme der Armut verhindern, warnte Schwertner. Es brauche deshalb weitere Entlastungen. "Wir müssen den Sozialstaat armutsfest und krisensicher machen." In der aktuellen Krise gehe es nicht nur um kalte Wohnungen oder leere Kühlschränke, sondern auch um den sozialen Zusammenhalt im Land, so Schwertner. Laut SORA-Umfrage fürchten auch 8 von 10 Befragten um den sozialen Zusammenhalt, sollten nicht weitere Maßnahmen gegen die Teuerung folgen.
Dabei zeigt sich eine erstaunlich große Solidarität. 89 Prozent der Befragten fordern, zuallererst armutsgefährdete Menschen zu unterstützen. 83 Prozent sind neben Einmalhilfen auch für eine dauerhafte Anhebung des Arbeitslosengeldes und der unterhalb der Armutsgrenze von knapp 1.400 Euro liegenden Sozialhilfe. Selbst unter jenen, die derzeit nicht sparen müssen, sind es noch drei Viertel.
Die Politik sollte diese Ergebnisse als Ermutigung sehen, seit Langem geforderte Reformen in Angriff zu nehmen, betonte Parr. Die geplante Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen greife jedenfalls zu kurz, auch danach lägen diese noch unter der Armutsgefährdungsschwelle. Nötig sei stattdessen eine Erhöhung auf ein "armutsfestes Niveau". Auch Arbeitslosengeld und Notstandshilfe - beide sind von der Valorisierung ausgenommen - müssten auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben werden, außerdem müsse endlich die Sozialhilfe repariert werden.
Bis zur Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen mit Beginn 2023 brauche es außerdem Lösungen für das vierte Quartal dieses Jahres. Und die Politik müsse zusätzliche Unterstützungen bei den Heizkosten auf den Weg bringen. Parr plädiert hier für eine unbürokratische Lösung, indem der Bund etwa zu den bestehenden Systemen der Länder zuschießt.
Zusammenfassung
- Die aktuelle Teuerung trifft immer größere Teile der Bevölkerung, zeigt eine aktuelle Befragung von SORA im Auftrag der Caritas.
- Demnach ist in der aktuellen Krise schon jeder Zweite im Alltag, etwa beim Lebensmitteleinkauf, zu Einsparungen gezwungen.
- "Die Not ist bereits in der Mittelschicht angekommen", so Caritas-Generalsekretärin Anna Parr.
- 89 Prozent der Befragten fordern, zuallererst armutsgefährdete Menschen zu unterstützen.