Calupka erhofft sich von Regierung bessere Gespräche
Kurz habe als erster Kanzler der Zweiten Republik keine Zeit für ein Gespräch mit der evangelischen Kirche gefunden, betont Chalupka. Dabei gebe es noch viele offene Fragen, wie etwa die Regelung zum Karfreitag: "Wir werden das weiter thematisieren. Denn die Republik hat sich dadurch die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der leidvollen Geschichte der Evangelischen Kirche in Österreich genommen. Auch die Geschichte von Minderheiten machen ja das Ganze einer Republik aus", ist Chalupka überzeugt. Es wäre wichtig, wenn es auch hier ein Signal gäbe, "dass die vier Prozent eben keine vernachlässigbare Größe sind, sondern durchaus auch zur Republik gehören".
Der auch von Chalupka wahrgenommene neue Ton in der Regierung könnte für ihn auch in der Debatte um die Coronamaßnahmen nützlich werden. "Was mir noch fehlt ist, dass gerade die Bundesregierung deutlicher macht, wo das eigene Versagen gelegen ist", erhofft er sich eine noch klarere Übernahme der Verantwortung, die das Vertrauen in die Politik wieder etwas herstellen könnte. Aber auch ein offizielles Gedenken für die Opfer der Pandemie sei noch ausständig, so Chalupka. "Ich würde mir da schon auch ein Zeichen von den politischen Verantwortlichen wünschen."
Die geplante Impfpflicht ist, so der lutherische Bischof, zu akzeptieren, diese könne aber "nur das äußerste Mittel" und das auf begrenzte Zeit sein, da die Maßnahme einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle. Natürlich gebe es auch in den evangelischen Gemeinden Impfskeptiker. "Das sind wenige, die aber auch ernst zu nehmen sind und mit denen man auch den Dialog führt", berichtet Chalupka. "In unser kirchlichen Arbeit geht es darum, dass der Schutz und die Nächstenliebe im Vordergrund stehen", so der Bischof. Zentral sei die moralische Verpflichtung, sich selbst und andere zu schützen.
Zu den noch im Raum stehenden Korruptionsvorwürfen gegen ehemalige türkise Protagonisten bemerkt der evangelische Bischof, dass der Eindruck vorherrsche, es sei um das Wohl einiger Weniger gegangen. "Davon muss man wieder wegkommen", bekräftigt Chalupka. Dies verstärke nur die Polarisierung in der Gesellschaft.
Auch das Vertrauen in die Wissenschaft muss laut Chalupka wieder hergestellt werden - wobei auch dabei die Politik in der Pflicht sei, die wissenschaftliche Erkenntnisse oft ignoriere, wie in der Asyl-Debatte - oder vor allem beim Klimawandel. Die evangelische Kirche selbst hat in diesem Zusammenhang 2022 zum "Jahr der Schöpfung" ausgerufen. Gearbeitet wird an einem Klimakonzept, "damit die Evangelische Kirche selbst auch Vorreiter bei der Klimaneutralität wird", sagt Chalupka. In diesem Jahr gehe es um Bewusstseinsbildung ebenso wie um konkrete Aktionen. Aber: "Der Grundton ist immer am Schluss die Hoffnung und nicht die Katastrophe. Die Katastrophe motiviert auch nicht."
Auch der Wandel im Leben der Evangelischen Kirche beschäftigt den Bischof weiterhin. So habe man den Erneuerungsprozess "Aus dem Evangelium leben" gestartet, mit dem man in Zeiten zunehmender Säkularisierung geistliches Leben vor Ort stärken will. Die Herausforderung dabei sei, wie man innovative Projekte in die vorhandenen Strukturen verstärkt einbinden kann. Chalupka: "Wir sind in einem sehr spannenden Übergang von einer Kirche, bei der man gewohnheitsmäßig Mitglied war, zu einer Kirche, die durchaus weniger Mitglieder hat, aber sich hin zu einer sehr bewussten Mitgliedschaft entwickelt."
Zusammenfassung
- Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka nimmt einen neuen Ton in der Regierung wahr und erhofft sich vom neuen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine bessere Gesprächsbasis als mit dessen Vorgänger Sebastian Kurz.
- In der Debatte um die Impfpflicht erwartet sich Chalupka im APA-Interview eine noch deutlichere Übernahme der Verantwortung für Versäumnisse, beim Klimaschutz mehr Initiativen.
- Die Katastrophe motiviert auch nicht."